Begrabt mein Herz in Wuppertal Das Projekt Hängebahn 2025

Kolumnist Uwe Becker träumte von einer fertigen Seilbahn und der wahnwitzigen Idee einer einschienigen Hängebahn durchs Tal.

Begrabt mein Herz in Wuppertal: Das Projekt Hängebahn 2025
Foto: Joachim Schmitz

Als ich mich am Montagabend zeitig in mein Bett kuschelte, fiel mir ein, dass ich meine Wahlbenachrichtigung für die anstehende Landtagswahl am Sonntag noch nicht bekommen hatte. Eine Nachlässigkeit der Deutschen Post AG oder gibt es neuerdings eine Altersbegrenzung? Dies muss ich dieser Tage noch klären.

In meinem Wahlkreis tritt übrigens ein Kandidat an, der keiner Partei angehört. Ich überlege, ob ich ihm meine Erststimme gebe, wenn ich denn wählen darf. In Frankreich wurde am vergangenen Sonntag mit Emmanuel Macron ein parteiloser Politiker sogar zum Staatspräsidenten gewählt. Die Chancen für Politiker ohne Parteibuch stehen anscheinend gar nicht so schlecht. Mit diesen Gedanken versuchte ich, Schlaf zu finden.

Entgegen meinen Erwartungen träumte ich dann aber nicht von der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, sondern von Kaiser Wilhelm II, Bürgerinitiativen, unserer Seilbahn, die seit 117 Jahren vom Döppersberg hoch nach Küllenhahn führt, und einem neuen Projekt der hiesigen Stadtwerke. In meinem Traum unternahm Kaiser Wilhelm II mit seiner Gattin am 26. Oktober 1900 die erste Probefahrt mit der spektakulären und einzigartigen Seilbahn. Diese Seilbahn in Wuppertal war weltweit eine Sensation und ein Aushängeschild unserer Stadt. Die Gondeln schwebten über Einfamilienhäusern hinauf zur Universität und ersparten vielen Menschen den beschwerlichen Aufstieg mit vollgepackten Taschen nach Küllenhahn. Selbst in Skigebieten gab es so eine sensationelle Bahn nicht.

Vor ein paar Jahren wurden einige Mängel an der Bahn ausgemacht und man musste die Stützen der Seilbahn komplett ersetzen. In Valencia wurden neue, himmelblaue Gondeln zusammengeschweißt, und die Seilbahn war nun viel leiser. Alle in Wuppertal waren glücklich und zufrieden. Doch dann kamen die Betreiber der Seilbahn, die Wuppertaler Stadtwerke, auf die verrückte Idee, eine einschienige Hängebahn quer durch das Tal und über die Wupper zu bauen — von Oberbarmen bis Vohwinkel. Es gründeten sich sofort Bürgerinitiativen, eine war dagegen und die andere dafür. Das Projekt bekam den Titel „Hängebahn 2025“.

In meinem Traum waren besonders die Bewohner aus Sonnborn und Vohwinkel gegen das wahnwitzige Projekt. Die Hängebahn sollte nämlich nicht nur über die Wupper führen, nein, ein Teilstück verlief auch über die Sonnborner und Vohwinkelerstraße. Die Bewohner dort waren entsetzt.

In der Lokalzeit vom WDR äußerte sich ein Anwohner, der direkt an der geplanten Endstation in Vohwinkel wohnte: „Diese Bahn fährt dann knapp einen Meter am Fenster meines Schlafzimmers vorbei, das ist doch wohl nicht zu fassen!“ Befürworter der Hängebahn sprachen von einer neuen Attraktion für Wuppertal, einem weiteren Alleinstellungsmerkmal für die Stadt. Das Projekt wurde dann tatsächlich umgesetzt, und am 1. März 2025 schwebte die erste Hängebahn durchs Tal. Bundeskanzlerin Ursula von der Leyen winkte aus der Bahn den vielen Schaulustigen an der Strecke zu. Dann klingelte mein Wecker, ich stand auf und schrieb diese Kolumne.

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