„Das hat wirklich Vorbildcharakter“

Fernwärmetrasse Süd-West ist am Samstag offiziell in Betrieb gegangen. Svenja Schulze, Bundesumweltministerin, kam zum Start.

„Global denken — lokal handeln“ — dieses bisweilen etwas arg strapazierte Motto der Nachhaltigkeitsbewegung darf sich Wuppertal seit dem Wochenende dick auf die Fahnen schreiben: Am Samstag wurde das im Jahr 1900 in Betrieb gegangene Heizkraftwerk Elberfeld offiziell stillgelegt und die neue Fernwärmeleitung vom Müllheizkraftwerk auf Korzert zum Fernwärmenetz in der Elberfelder Talsohle in Betrieb genommen.

Dass die Umstellung von der Kohlebefeuerung auf eine umweltfreundliche Energienutzung nicht nur von lokaler Bedeutung ist, zeigte der Besuch der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und des Staatssekretärs im NRW-Energieministerium, Christoph Dammermann (FDP). Sie wohnten dem Festakt bei, der am Samstagvormittag unter dem Motto „Tschüss Kohle, hallo Talwärme“ im Heizkraftwerk begangen wurde.

Mit der Umstellung auf die umweltfreundliche Fernwärme hätten die Stadt, die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) und die Abfallwirtschaftsgesellschaft Wuppertal (AWG) vorgeführt, wie Klimapolitik vor Ort umgesetzt werden könne, sagte die aus Münster stammende Ministerin: „Hut ab — das hat wirklich Vorbildcharakter!“

Durch die Einstellung des Betriebs im Heizkraftwerk und die Umstellung auf die Fernwärme aus der Müllverbrennungsanlage würden pro Jahr rund 450 000 Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid eingespart. Deshalb sei der Abschied von Heizkraftwerk Elberfeld trotz der fast 120-jährigen „beeindruckenden Betriebsgeschichte“ eine gute Nachricht, erklärte Schulze.

Wie wichtig für eine Stadt wie Wuppertal die Energiewende ist, machte Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) deutlich. Er verwies auf das schwere Unwetter vom 29. Mai, das zu großen Schäden in der Stadt geführt habe. Wer jetzt noch am Klimawandel zweifle, habe die Zeichen der Zeit nicht verstanden. „Wir müssen alles tun, um den Klimawandel zu stoppen“, sagte der Oberbürgermeister. Der Weg dahin führe über eine effektive Energienutzung, wie sie sich die Stadt mit Unterstützung des Wuppertal Instituts zur Aufgabe gemacht habe.

Für die Umstellung auf die neue Fernwärmeleitung Süd-West mussten die Beteiligten tief in die Tasche greifen: Auf rund 45 Millionen Euro belaufen sich die Investitionskosten für die Verlegung der neuen 3,2 Kilometer langen Trasse zum Müllheizkraftwerk sowie für den dortigen Umbau. So mussten in der Anlage auf Korzert eine zusätzliche Gegendruckturbine und drei Dampfumformstationen installiert werden. Bei der Verlegung der Leitung mussten überdies fast 200 Höhenmeter überwunden werden.

Die neue Fernwärmeleitung sei „in Rekordzeit“ verlegt und schneller als geplant fertiggestellt worden, freute sich WSW-Chef Andreas Feicht. Die Umstellung auf die lokale Fernwärme sei eine „Zäsur“ und ein „Aufbruch in eine neue Zeit“. Zugleich habe er aber auch Verständnis dafür, wenn der eine oder andere Mitarbeiter im Heizkraftwerk Elberfeld nun wegen der Schließung des traditionsreichen Standortes „eine Träne verdrückt“.

Bis zu 70 Mitarbeiter hatten zuletzt in dem Heizkraftwerk gearbeitet. Sie wechseln nun entweder zur AWG oder sind mit der Abwicklung des außer Betrieb gestellten Kraftwerks an der Kabelstraße betraut. Einige gehen auch in den Ruhestand.

Nach dem Festakt im Heizkraftwerk Elberfeld ging es gegen Mittag zur AWG-Müllverbrennungsanlage auf Korzert. Dort wurde die neue Fernwärmetrasse mit einem symbolischen Knopfdruck in Betrieb genommen. Zudem startete am Nachmittag an beiden Standorten ein Familienfest. Im alten Heizkraftwerk gab es unter anderem eine Ausstellung zur Geschichte des Standortes, an beiden Adressen wurden Führungen angeboten, ein Falkner ließ seine Raubvögel fliegen.

Zwischen den beiden Standorten verkehrten klimafreundliche Brennstoffzellenbusse, von denen die ersten zehn ab dem kommenden Frühjahr für die WSW im Regelbetrieb unterwegs sein sollen. Für die modernen Busse wird am Müllheizkraftwerk eine Elektrolyseanlage errichtet, die den vor Ort erzeugten Strom zu Wasserstoff verarbeiten soll.

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