Wuppertal Darum sind 36 Millionen Euro nicht zuviel für die Kultur

Oper, Orchester und Schauspiel kosten jeden Wuppertaler rechnerisch knapp fünf Euro pro Monat. Für Bibliotheken, Museen und die Musikschule kommen monatlich noch einmal 3,82 Euro hinzu.

Wuppertal: Darum sind 36 Millionen Euro nicht zuviel für die Kultur
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Wuppertal. „Nice to have“ - schön, es zu haben, ist ein schwieriger Anglizismus. Die englische Redewendung klingt aufs erste Hören freundlich, sagt spätestens im zweiten Umlauf durch das Gehirn des Adressaten aber nichts anderes als: das ist verzichtbar. Wäre zwar schön, es zu haben, aber wenn es gar nicht anders geht, kommt es weg. „Nice to have“ ist in Wirklichkeit fies, eine vielleicht höfliche, aber auf jedenfalls ernstzunehmende Drohung. Kulturschaffende wissen das.

Wuppertal ist eine sehr kulturträchtige Stadt. Dem üppigen Angebot unabhängiger und weitgehend unbezuschusster Musiker, Schauspieler, Maler und Bildhauer steht eine breite staatlich geförderte Kulturlandschaft gegenüber. Die Bergische Metropole leistet sich nicht nur ein erstklassiges Sinfonieorchester, sie verfügt auch wieder über ein kleines Opernensemble und eine kaum größere, aber nicht minder engagierte Schauspieltruppe. Dieses Kulturangebot lässt sich die Stadt jedes Jahr 19,7 Millionen Euro kosten. Das ist eine gewaltige Summe. Gemessen am Aufkommen pro Bürger ist Wuppertal mit etwa 55 Euro im Jahr eher bescheiden. Hinzu kommt das Tanztheater Pina Bausch, dessen Kosten sich die Stadt mit dem Land NRW teilt. Wuppertal schießt jedes Jahr knapp zwei Millionen Euro zu.

Außerdem unterhält die Stadt in der Abteilung „nice to have“ eine Musikschule mit gut 5000 Lernenden, das Von der Heydt- sowie das Museum für Frühindustrialisierung und die Stadtbibliothek. Das Kulturbüro lässt sie sich obendrein etwa eine Million Euro kosten. Insgesamt beläuft sich der Posten „Kann, muss aber nicht“ im Haushalt auf gut 36 Millionen Euro im Jahr. Das sind pro Wuppertaler knapp 100 Euro im Jahr. Gemessen an einem Gesamtetat der Stadt von gut 1,2 Milliarden Euro ist das ein Anteil von 3,4 Prozent.

Es liegt vor allem in der Struktur Wuppertals und in der Geschichte der Stadt begründet, dass fast jeder zweite Euro für Sozialleistungen sowie Kinder-, Jugend- und Familienhilfen aufgewendet werden müssen. Anders als die Ausgaben für Kultur sind diese Leistungen allerdings nicht „nice to have“. Städte sind dazu verpflichtet. Sie haben weder das Recht noch die Möglichkeit, diese Posten zu senken. Es sei denn, es gelänge ihnen, eine lokale Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu organisieren, die möglichst viele Bürger aus der Lage befreiten, beispielsweise von Hartz IV abhängig zu sein. Das ist Wuppertal bisher allerdings noch nicht spürbar gelungen. Und derzeit deutet nichts darauf hin, dass sich daran etwas ändert.

Für die Kulturschaffenden in Wuppertal bedeutet das Daueralarm. Sie müssen ständig damit rechnen, dass der Stadtkämmerer noch emotionsloser auf die Ausgabenbremse tritt. Gedeckelt, also auf lange Sicht festgelegt, sind die Ausgaben für Oper, Orchester und Schauspiel schon. Die Künstler müssen mehr arbeiten, ohne dafür mehr zu bekommen. Vor allem Schauspieler werden heute teils schlechter bezahlt als die Gesellinnen, die ihnen die Haare schneiden. „Nice to have“ ist das nicht. Aber freiwillige Leistungen sind eben auch die Stellschrauben, an denen der Haushalt einer hoch verschuldeten Kommune so manipuliert werden kann, dass er die Auflagen der Aufsichtsbehörde erfüllt.

Umso wichtiger ist die Frage, was Kultur in einer Stadt wie Wuppertal wirklich ist. Kann, muss aber nicht? Oder unverzichtbar? In einer hörenswerten Diskussion hat der WDR diese Frage zuletzt mit Vertretern von Kultur und Politik debattiert. Ist Geld für Theater und Musik eher eine pure Ausgabe oder ist es eine Investition in die Gesellschaft einer Stadt? Eine endgültige Antwort gab es nicht.

Mithin entscheiden die Bürger, ob ihnen Kultur in ihrer Stadt etwas wert ist. Sie entscheiden es über Nachfrage und Anwesenheit. Doch selbst das kann letztlich nicht das alleinige Kriterium sein. Öffentlich geförderte Bühnen sind schließlich mehr als bloßes Unterhaltungsprogramm. Gerade in Deutschland sind sie Bewahrer eines unermesslichen Schatzes, den Dichter, Denker und Komponisten der Welt hinterlassen haben. Gemessen an dieser Aufgabe sind 3,4 Prozent des Gesamtetats keine Verfügungsmasse, nicht „nice to have“, sondern das Mindeste, was Kultur in der 17.-größten Stadt Deutschlands verlangen darf.

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