Begrabt mein Herz in Wuppertal Begrabt mein Herz in Wuppertal: Kein Verständnis für Satiriker

Uwe Beckers Tante stellte ihm einst auf einer Party Pina Bausch vor.

Begrabt mein Herz in Wuppertal: Begrabt mein Herz in Wuppertal: Kein Verständnis für Satiriker
Foto: Joachim Schmitz

In Kürze findet die Premiere der Wiederaufnahme von „1980 - Ein Stück von Pina Bausch“ im Wuppertaler Opernhaus statt. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich sehr viele Produktionen der Compagnie besucht, in besonderer Erinnerung bleibt mir jedoch eine persönliche Begegnung mit der weltberühmten Choreographin.

Anfang der 80er Jahre führte ich mit Freunden ein Gastronomieunternehmen mit Kleinkunstbühne in Elberfeld. In der Wohnung über unserer Lokalität wohnte eine unserer Servicekräfte zusammen mit Jean Laurent Sasportes, einem Mitglied des Tanztheaters, in einer Männer-Wohngemeinschaft.

Als meine kunst- und kulturinteressierte Tante unser Restaurant das erste Mal besuchte, lernte sie den Tänzer kennen, der sie dann häufig mit zu Proben nahm, so dass sie auch Pina Bausch persönlich kennenlernte. In Pina Bauschs Film „Klage einer Kaiserin“ bekam sie später sogar eine kleine Nebenrolle. Zum Ende des Films sieht man meine Tante Ilse, wie sie sich im Kreise dreht und „Komm’ tanz mit mir, komm’ tanz mit mir“ singt.

Die Schwester meines Vater schwärmte von der in Solingen geborenen Choreographien und war fortan regelmäßiger Gast in unserem Lokal. Ihre Liebe zum Ensemble ging sogar so weit, dass sie die 24 Fenster der großzügigen Altbauwohnung von Jean Laurent Sasportes alle vier Wochen putzte. Als ich meine Tante bat, doch in unserem Lokal auch mal die Fenster zu putzen, meinte sie: „Das müsst ihr selber machen. Jean Laurent ist Künstler, der hat für so etwas keine Zeit.“ Ich entgegnete ihr dann: „Pfff… Künstler! Jean Laurent ist eigentlich Apotheker, und die paar Schritte, die er kann, hat ihm sein Mitbewohner Helmut Winkelmann beigebracht, und der ist gelernter Industriekaufmann.“

Meine Tante war entsetzt über meine oberflächliche, ignorante Bemerkung und schüttelte missbilligend ihren Kopf. Das stimmte so natürlich auch nicht ganz, aber gelernter Apotheker war er schon. Zu dieser Zeit fanden in besagter Wohnung des öfteren rauschende Partys mit Mitgliedern der Compagnie, Musikern, Malern und Schauspielern statt.

Ich erinnere mich an ein Fest ganz besonders. Als ich die Wohnung betrat, sah ich bereits meine Tante plaudernd mit Pina Bausch im Flur. Sie winkte mich aufgeregt herbei und stellte mich Frau Bausch vor: „Pina, das ist mein Neffe Uwe, der ist auch Künstler, er schreibt Satiren!“

Mir war das damals sehr unangenehm, war ich doch zu dieser Zeit nur der Mitarbeiter eines gerade gegründeten Programm- und Satire-Magazins für Wuppertal, Remscheid und Solingen. Im Grunde war ich ja Kellner, nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte meine Tante jetzt aber auch nicht enttäuschen, und so reichte ich Pina Bausch die Hand und fragte sie: „Und was machen Sie so beruflich?“ Pina Bausch lächelte mich an und antwortete in ihrer ruhigen Art und wahrheitsgemäß: „Ich leite das Wuppertaler Tanztheater.“

Obwohl Tante Ilse mich ja als „Satiriker“ vorgestellt hatte, reagierte sie auf meine Frage verständnislos und sprach wochenlang kein Wort mehr mit mir. Frau Bausch schätzte ich nach dieser Begegnung aber umso mehr.

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