Ausbildungsplätze: „Es hapert oft an der Einstellung zur Arbeit“

Viele Lehrstellen sind noch unbesetzt — viele Bewerber suchen. Nicht alle sind qualifiziert genug.

Ausbildungsplätze: „Es hapert oft an der Einstellung zur Arbeit“
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Wuppertal. Die einen suchen und finden keinen Ausbildungsplatz. Die anderen suchen — und finden keinen geeigneten Bewerber: Sommerzeit, das ist alljährlich für viele junge Wuppertaler eine Zeit wichtiger beruflicher Schritte — die aber in eine Sackgasse führen können. Das liegt nicht immer an schlechten Noten, sondern daran, dass sie ihre Chancen bei der Berufswahl nicht voll ausschöpfen.

Im Juli waren immerhin 602 verfügbare Berufsausbildungsstellen noch unbesetzt, ist von Julia Dette von der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal zu erfahren. Dem standen 713 unversorgte Bewerber gegenüber. Insgesamt sind es in diesem Ausbildungsjahr 2630 Bewerber und 1708 verfügbare Stellen.

Natürlich ermuntern Arbeitsagentur, Schulen und auch Arbeitgeber Schüler zu guten schulischen Leistungen. Doch Bestnoten seien gar nicht in jedem Fall entscheidend: „Woran es hapert, das ist oft die Einstellung der jungen Leute zur Arbeit“, sagt Handwerksmeister Guido Haußmann, der in dritter Generation seinen Sanitär- und Heizungsbetrieb an der Westkotter Straße betreibt und seit vielen Jahren ausbildet. Jugendlichen falle es zunehmend schwer, sich in einen geregelten Arbeitsalltag einzugliedern, hat er beobachtet. Auch die Verständigung spiele eine wichtige Rolle: „Es mangelt ganz klar an jungem, deutsch-sprachigen Nachwuchs.“

Er habe „zum Glück“ derzeit zwei Lehrlinge, die die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär- und Heizungstechnik absolvieren. Doch andere Wuppertaler Betriebe seien akut vom Nachwuchsmangel bedroht, so Haußmann. Zwar würden keine hohen Ausbildungsvergütungen gezahlt, doch nach dem Berufsabschluss seien die Verdienstmöglichkeiten nicht schlecht: „Ein guter Geselle verdient heute auch gutes Geld.“ Und: Es lohne sich, immer mal wieder auch nachzufragen.

Das bestätigt auch die Industrie und Handelskammer: „Auch wenn das Ausbildungsjahr für viele neue Auszubildende bereits begonnen hat, ist der Ausbildungsmarkt noch in Bewegung“, sagt IHK-Sprecher Thomas Wängler. Einzelne Ausbildungsplätze in den bergischen Unternehmen seien noch immer unbesetzt: „Das gilt sowohl für den kaufmännischen als auch den gewerblich-technischen Bereich.“

Nicht selten würden Azubis noch in der Probezeit aussteigen, „dann ergeben sich weitere Chancen für Bewerber, die den Ausbildungsstart noch in diesem Jahr anstreben“. Sowohl kurzentschlossene Bewerber als auch Unternehmen, die noch freie Plätze besetzen wollen, sollten sich mit der IHK in Verbindung setzen, empfiehlt Wängler.

Die gleiche Empfehlung gibt Sascha Bomann von der Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal allen Schulabgängern, die bisher noch nicht fündig geworden sind. Es sei nicht unmöglich, eine Lehre Mitte September oder erst im Oktober oder November zu beginnen. Zur Ausbildungsbörse im September in der Stadthalle seien daher nicht nur Bewerber für das Ausbildungsjahr 2018 eingeladen, sondern auch die, die aktuell noch suchen. „Wir zeigen in der Stadthalle ganz praktisch, wie im Handwerk gearbeitet wird“, verspricht Sascha Bomann.

Das sei wichtig, um den Jugendlichen ein realistisches Bild von den verschiedenen Berufen zu vermitteln. Die Anforderungen in den Handwerksberufen seien nicht geringer geworden, dafür sei ihre Attraktivität in vielen Bereichen enorm gestiegen. „Es spricht sich herum, dass ein Hochschulstudium keine Garantie für ein hohes Einkommen in einem attraktiven Beruf ist“, sagt Sascha Bomann.

60 Prozent der Auszubildenden im Handwerk seien Hauptschulabsolventen, sehr viele verfügten zudem über einen Abschluss mit Fachhochschulreife. Die Anforderungen seien im Handwerk nicht geringer geworden. Doch selbst für Jugendliche ohne Schulabschluss sei es nicht unmöglich, eine Ausbildungsstelle zu bekommen. „Der Wille muss erkennbar sein“, sagt Bomann.

Bei den Jungen stehen die Maschinen- und Anlagenführer, Kaufleute im Einzelhandel oder Industriekaufleute ganz oben auf der Wunschliste der Ausbildungsberufe. Mädchen nennen Medizinische Fachangestellte, Kauffrau — Büromanagement und Kauffrau im Einzelhandel als erste Berufswünsche. Fleischer oder Bäcker — das sind Handwerksberufen, die gute Fortbildungs- und Aufstiegschancen bieten, aber nur schwer zu vermitteln sind. Die Jugendlichen sind jedoch tendenziell flexibler bei der Berufswahl, so die Einschätzung von Kreishandwerkerschaft und Arbeitsagentur. Viele der über 300 Ausbildungsberufe — vor allem jene, die im Bergischen selten sind — seien den jungen Menschen eher unbekannt.

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