Reportage Wuppertaler Zoo: Auge in Auge mit der Kornnatter

Der Wuppertaler Zoo bietet jeden Tag Begegnungen mit Schlangen an. Wir waren dabei.

Reportage: Wuppertaler Zoo: Auge in Auge mit der Kornnatter
Foto: Andreas Fischer

Elberfeld. Tierpflegerin Bianca Todorovic fackelt nicht lange. Zwei Sätze zum Tier, zur Handhabung, und schon gleitet die zur Hälfte aufgerollte Kornnatter aus ihren in die eigenen Hände. Sie wird nicht beißen, sie wird nicht beißen, sie... beißt nicht. Sie wendet ihren Kopf, als suche sie mit ihren schwarzen, runden Augen Blickkontakt, züngelt, gleitet langsam über die Arme. Und wirkt im Übrigen sehr entspannt. Die etwas mehr als einen Meter lange nordamerikanische, männliche Schlange ist ja auch satt. Und niemand riecht hier nach Maus.

„Das wäre tatsächlich nicht so gut“, erklärt die 40-jährige Tierpflegerin. „Mäuse sind ihre Beute, und was nach Maus riecht, wird gebissen.“ Was aber glücklicherweise noch nie vorgekommen ist. Jedenfalls bei den Besuchern des Zoos. „Wir müssen uns immer die Hände waschen, wenn wir eine Maus angefasst haben. Und trotzdem bin ich schon von Vielem hier im Terrarium gebissen worden“, sagt Todorovic. Sie lacht.

Die Kornnatter beißt sich zwar fest, um sich dann um ihre Beute zu schlingen und sie zu erwürgen. Aber ihr Biss ist nicht giftig. Auf einem der namensgebenden Kornspeicher, wo sie sich der Mäuse wegen besonders gerne aufhalten, möchte hier trotzdem niemand begegnen.

Hier im Zoo ist das anders. Die Schlange, die keinen Namen hat, fühlt sich auf faszinierende Weise zart und gleichzeitig kraftvoll an. Ihre gemusterte Haut ist seidenweich, der Körper lauwarm, an manchen Stellen etwas kühler.

Jetzt kommen die beiden sechsjährigen Freunde Anna und Fabian um die Ecke geflitzt. Sie quietschen freudestrahlend, als sie die Schlange sehen, rennen zurück zu ihren Müttern. „Da ist die Schlange!“ Mit Mama im Rücken kommen sie wieder. „Wollt ihr sie mal auf den Arm nehmen?“, fragt Bianca Todorovic. Das wollen sie noch nicht. Aber streicheln geht. Anna traut es sich nur zwei, drei Mal, ihren Zeigefinger über den Rücken der Schlange gleiten lassen. Fabian ist schon etwas mutiger und hält es länger aus. Dann flattert das Interesse weiter und die beiden stehen aufgeregt plappernd vor den vielen Terrarien.

„So umsichtig gehen nicht alle Kinder mit den Tieren um“, erzählt Todorovic. „Das ist eine traurige Entwicklung. Manche hauen auf die Schlange oder fragen, ob sie sie auf den Boden werfen können.“ Woran das liege? „Keine Ahnung. Viele haben vielleicht nicht mehr den Bezug zu den Tieren als fühlende Lebewesen. Da fehlt Einfühlungsvermögen. Sie machen lieber nur Fotos mit den Smartphones um cool zu sein, glaube ich manchmal.“

Den Bezug zu dem schlängelnden Lebewesen da in ihren Händen hat die 62-jährige Barbara Daun in jedem Fall. Sie begleitet heute ihre Freundin, eine begeisterte Fotografin und tägliche Zoobesucherin, hierher. Vorsichtig hält sie die Kornnatter in den Händen, spricht ihr ein paar freundliche Worte zu. Dann verabschiedet sie sich freundlich von dem Reptil. „Ich finde Schlangen unglaublich faszinierend“, sagt sie. „Nicht unbedingt in der freien Wildbahn, aber hier ein Exemplar mal anfassen zu können, ist großartig.“ Bereits zum zweiten Mal hat sie heute eine Schlange in den Händen gehalten. „Wie sie sich anfühlen, ist mit nichts zu vergleichen. Seidenweich.“

Bianca Todorovics Kollegin Tatjana Peters komplettiert ab Januar das Team im Terrarium, derzeit befindet sie sich im Erziehungsurlaub. „Vorher habe ich bei den Raubtieren gearbeitet. Und tatsächlich habe ich vor keinem Löwen Angst, vor Schlangen aber eine richtige Phobie“, sagt sie. Für ihre Abschlussprüfung in der Lehre hatte sie Monate lang mit einem anderen, wie sie sagt sehr geduldigen Pfleger geübt, um vor den Prüfern zu zeigen, dass sie weiß, wie man mit einer Schlange richtig umgeht. „Das wird jetzt wieder eine riesige Überwindung. Aber: es geht. Es sind ja großartige Tiere.“

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