Auf des Messers Schneide

Bei der Bahn AG arbeiten schon ganz pfiffige Kerlchen. Da haben Wuppertals Seilbahn-Enthusiasten doch in ständiger Sorge gelebt, dass die Bahn ihr Grundstück für die notwendige Talstation der Seilbahn nie hergäbe und wenn, dann nur für einen Mondpreis.

Aber die Realität ist eine andere. Die Bahn giert förmlich danach, der Stadt beziehungsweise den Stadtwerken ihr Grundstück am Döppersberg zu überlassen. Überraschend sympathisch, oder nicht? Eher nicht. Denn die Praline aus der Konzernzentrale in Berlin ist ein bisschen vergiftet. Die Bahn hat mit ihrem freundlichen Unterstützungsschreiben nämlich klar und deutlich festgestellt, dass sie selbst nicht einen Cent in das historische Hauptgebäude investieren wird — außen nicht, weil die Sanierung der Fassade des fast 170 Jahre alten Bauwerks auf Kosten der Stadt Wuppertal geschieht und innen nicht, weil die Bahn anscheinend Geld braucht, um das Groschengrab Stuttgart 21 zu füllen. Auf jeden Fall hatte und hat sie keine Lust, in Wuppertal zu investieren.

Das ist äußerst ärgerlich. Und es wirft die Frage auf, wer für Wuppertal verhandelt hat, als der Bahn AG versprochen wurde, die Fassade des Gebäudes zu sanieren und eine Einkaufspassage im Gebäude zu bauen — auf Kosten Wuppertals. Warum ist die Bahn nicht gleichzeitig vertraglich verpflichtet worden, ihren Anteil an der Sanierung von Gebäude und Bahnsteigen zu leisten? Diese Verhandlungsführung ist mit „amateurhaft“ noch freundlich umschrieben. Das Ergebnis ist erbärmlich.

Für die Träumer von der Seilbahn zwischen Döppersberg und Küllenhahn ist das alles womöglich nicht ganz so schlimm. Wenn die Stadtwerke die notwendige Fläche von der Bahn kaufen können, ist für sie alles in bester Ordnung. Für die Stadt allerdings nicht. Denn die Bahn will ja alles abgeben. Und wenn nicht Stadt oder Stadtwerke zuschlagen, dann geht das Filetstück im neuen Herzen Wuppertals an irgendeinen Investor.

Moment, da war doch was?

Gleich neben dem Bahnhofsgebäude, das übrigens auch mit eckigen Fensterausschnitten im Erdgeschoss ein wunderschönes, fast einmaliges Bauwerk ist, steht die Bundesbahndirektion, nicht minder schön, nicht minder bedeutend für Wuppertal. Als dieses architektonische Meisterwerk vor etwa zehn Jahren verkauft wurde, hat die Stadt entweder tief geschlafen oder reagiert, wie sie es heute noch macht, wenn es darauf ankommt. Dann lautet die Antwort entweder: Wir haben keine Leute. Oder: Wir haben kein Geld. Deshalb ist die Bahndirektion seinerzeit für einen überschaubaren Millionenbetrag in einstelliger Höhe an einen Investor gegangen. Dass dieser Investor der Stadt seither als Einkaufsparadies-Ankündigungsweltmeister auf der Nase herumturnt, ist eine Folge davon. Das Rathaus sollte also gewarnt sein. Ist es anscheinend aber nicht.

Denn die Frage, ob die Stadt gewillt ist, der Bahn ihre Haupt- und Nebengebäude am Döppersberg abzukaufen, beantwortete der Stadtkämmerer mit einem überzeugten: Wir haben kein Geld. Dasselbe hätte er allerdings sagen können, als es darum ging, der maroden städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG mit zwei Millionen Euro pro Jahr unter die Arme zu greifen. Für: „Wir haben kein Geld“ ist das insgesamt fast 60 Millionen Euro teure Rettungspaket bemerkenswert spendabel.

Das Ende vom Lied ist also vermutlich, dass die GWG noch für ein paar Jährchen künstlich beatmet wird und dass sich neben der Bahndirektion ein anderer oder derselbe Investor ein weiteres herausragendes Grundstück im neuen Zentrum sichert. Mit anderen Worten: Wuppertal richtet für viel Geld und aus sehr gutem Grund sein neues Stadtzentrum her und überlässt es dem freien Spiel der Kräfte. Der eine Investor schiebt sein imposantes Gebäude wohin er will, der andere Investor kündigt viel an und liefert nichts, vielleicht Bessere kommen nicht zum Zuge, weil die Stadt überhaupt keinen Einfluss mehr darauf hat, was wer am Döppersberg wie macht, wenn überhaupt. Schlimmer geht’s nimmer. Und dafür der ganze Zirkus in den vergangenen zehn Jahren?

Jetzt gilt es, aus der selbst verschuldeten Not eine Tugend zu machen. Zweifellos wäre die Investition in das Bahnhofsgebäude anstrengend und riskant. Aber die Alternative könnte viel gefährlicher sein. Nicht auszudenken, dass Wuppertals Gäste eines Tages von einem Tierfutter-Paradies begrüßt werden und gleich nebenan in der Bahndirektion für einen Euro shoppen können. Die Zukunft des neuen Zentrums steht auf des Messers Schneide. Deshalb sollten Politik und Verwaltung wenigstens darüber nachdenken, zu agieren wie bei der GWG: Wir haben kein Geld, geben aber trotzdem Millionen aus. Am Döppersberg und für Wuppertal könnte sich das mit ein wenig Verhand- lungs- geschick rentieren.

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