Wuppertal Auf den Spuren des Lancaster-Bombers auf Schöller

1944 wurde die Maschine über Schöller abgeschossen. Hobby-Historiker Marcel Lesaar hat die Absturzstelle im Wald ausgemacht und über die Hintergründe ein Buch veröffentlicht.

Wuppertal: Auf den Spuren des Lancaster-Bombers auf Schöller
Foto: Marcel Lesaar

Wuppertal-Schöller. Der Spaziergang mit Marcel Lesaar führt in die totale Idylle. Vom Treffpunkt, dem Wanderparkplatz in Schöller, geht es vorbei am Rittergut mit seinem markanten Turm, dann weiter auf einen schmalen Weg Richtung Gruiten mit herrlichem Blick auf ein kleines Gewässer und anschließend direkt ins Grüne. „Hier ist es“, sagt der Hobby-Historiker und zeigt auf eine, für Unkundige wenn überhaupt nur zu erahnende, Kuhle im Waldboden. 1944 hatte der Schrecken des Zweites Weltkrieges auch das abgeschiedene Schöller erreicht: Ein Lancaster-Bomber war in dem Wäldchen abgestürzt — die Kuhle als einzige noch sichtbare Spur hinterlassend.

Wuppertal: Auf den Spuren des Lancaster-Bombers auf Schöller
Foto: Stefan Fries

Das Schicksal des Bombers und das der Besatzung hat der 49-jährige Mettmanner, der seit 2013 ehrenamtlich für das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege arbeitet, nachgezeichnet und jetzt als Buch veröffentlicht.

Bereits vor zweieinhalb Jahren hatte er bei der Recherche über einen anderen Bomber-Absturz in Mettmann von einem Augenzeugen den Tipp bekommen, dass Ähnliches auch in Schöller passiert sei. „Auf einem Laubhaufen haben wir dann direkt ein Aluteil gefunden und gewusst: Hier sind wir richtig“, erinnert sich Lesaar. Für ihn und seine Mitstreiter ein Glücksfall. Den eigentlich ist erstmal lange Arbeit mit dem Metalldetektor erforderlich, bis man fündig wird. Und dass ein Zeuge sich nach so langer Zeit noch genau an den Ort erinnern würde, sei auch eher selten, weiß Lesaar.

Auf einem gut 50 mal 50 Meter großen Areal wurden die Hobby-Historiker dann weiter fündig, förderten unter anderem Teilstücke der Maschine und des Schnellverschlusses des Fallschirms zutage. „Auch die Fliegeruhr des Piloten oder Navigators haben wir gefunden“, erzählt Lesaar.

So ließ sich recht schnell klären, dass es sich wirklich um einen Bomber handelt, der anhand von Nummern-Fragmenten und anderen Kennzeichen auch relativ leicht zu identifizieren war. „Eine Lancaster NE 114 der 166. Staffel“, erläutert Lesaar im Buch. Ein schwerer viermotoriger Bomber der Royal Air Force, 21 Meter lang, sechs Meter hoch und mit einer Spannweite von 31 Metern.

Die siebenköpfige Besatzung befand sich damals, am 22. Mai 1944, auf einem Nachtflug, Ziel war Dortmund. Insgesamt waren gut 400 Maschinen bei dem Angriff dabei. 514 Menschen verloren bei dem Bombardement ihr Leben, tausende ihre Unterkunft. Auch darauf geht Lesaar in seinem Buch ein.

Der letzte Funkspruch

Für Pilot Harry R. Moncrieff (26) aus Kanada und seine Crew war es der letzte Einsatz. Wer letztendlich den Bomber abschoss — Nachtjäger oder eine Flak — ließ sich nicht mehr klären. Dafür das Schicksal der Besatzung. In verschiedenen Archiven fand Lesaar Infos. Sogar der letzte Funkspruch ist überliefert: „Nun Freunde, ich denke, das war’s, springt ab.“ Nur zwei Besatzungsmitglieder (Chandler und Wynn) konnten sich mit dem Fallschirm retten, die übrigen fünf kamen ums Leben.

Anwohner Oskar Pöll, der 1948 von einem britischen Untersuchungsoffizier zu den Vorgängen befragt wurde, konnte sich an den Absturz erinnern. „Zwei Besatzungsmitglieder, die aus der Maschine beim Aufprall herausgeschleudert worden waren, wurden von den Flammen weggezogen. Sie waren aber bereits tot. Als das Wrack am nächsten Tag abgekühlt war, erfolgte eine Suche nach weiteren Besatzungsmitgliedern. Die beiden vollständigen Körper bekamen separate Särge.“ Die Überreste der anderen drei Besatzungsmitglieder wurden in einen Sarg gelegt und nach Düsseldorf gebracht. Das ist in den Untersuchungsunterlagen, die Lesaar für sein Buch ausgearbeitet hat, zu lesen.

Wynn und Chandler wurden später geschnappt und landeten in Kriegsgefangenschaft. Letzterer lieferte aber eine der wichtigsten Quellen für Lesaars Arbeit. „Er hat Tagebuch geführt, auch in der Gefangenschaft.“ Das habe er von Verwandten des Kanadiers erhalten. Um die zu finden, habe ihm wiederum seine Erfahrung in der Familienforschung geholfen, sagt der Mettmanner. Wie reagiert denn jemand, wenn ein Historiker aus Deutschland Infos über meist längst verstorbene Verwandte haben will? Lesaars Erfahrung: „Die meisten Leute sind offen und geben weiter, was sie wissen. Andererseits kann ich ihnen manchmal auch Sachen sagen, die für sie neu sind.“

Mit dem Buch ist Lesaar jetzt fertig, die Arbeit aber noch nicht ganz komplett. Geplant ist, dass an der Absturzstelle eine kleine Gedenktafel aufgestellt wird.

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