Wuppertaler Stadtgeschichte Als Minderheiten regierten: Weimarer Reichskanzler mit Elberfelder Wurzeln

Die Amtszeit von Wilhelm Marx betrug gerade einmal 38 Monate.

Wuppertaler Stadtgeschichte: Als Minderheiten regierten: Weimarer Reichskanzler mit Elberfelder Wurzeln
Foto: A. Hammer

Mit Minderheitenregierungen kannte er sich aus: Wilhelm Marx, Zentrumspolitiker in Elberfeld und von 1923 bis 1925 sowie 1926 bis 1928 Reichskanzler der Weimarer Republik. Der Sohn eines Volksschullehrers kam auf eine Amtszeit von insgesamt gerade einmal 38 Monaten. Aber genau die hatten es in sich: Ruhrkampf, Separatismus, Inflation, Eigenpolitik der Reichswehr, Regelung der Reparationen, Beitritt zum Völkerbund. Seine ersten drei Kabinette waren bürgerliche Minderheitenregierungen aus Zentrumspartei, Deutscher Demokratischer Partei, Bayerischer Volkspartei und Deutscher Volkspartei: Ein Gemisch aus katholisch-sozialen, liberalen und völkischen Strömungen und damit typisch für die politische Kultur der Weimarer Zeit. Das vierte Kabinett Marx wurde schließlich bereits von reaktionären deutschnationalen Vertretern der DNVP ergänzt.

Minderheitsregierungen waren in der Weimarer Republik in der Tat die Regel, nicht die Ausnahme. Im Gegensatz aber zu durchaus erfolgreich experimentellen Varianten in der europäischen Geschichte beschreiben sie heute in der kollektiven Erinnerung der Deutschen geradezu die Misserfolgsgeschichte der kurzen Weimarer Republik: einerlei wie sehr sich deren bürgerliche Protagonisten auch um Ausgleich und Erfolg bemühten. Wilhelm Marx, der ab 1894 das Richteramt in Elberfeld ausgeübt und ab 1899 die Leitung des dortigen Zentrums-Vereins übernommen hatte, galt als katholisch-konservativer Kommunikator, der moderierend und ausgleichend bis in die Sozialdemokratie hinein wirken wollte.

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Insgesamt keine Erfolgsgeschichte. Als Minderheitenkanzler war er schlichtweg darauf angewiesen mit wechselnden Mehrheiten und dabei äußerst fragilen Toleranzen zu regieren. Als er sich dann auf Vorschlag von Friedrich Ebert 1925 als Kandidat der sogenannten „Weimarer Koalition“ (SPD, DDP, Zentrum) um das Amt des Reichspräsidenten bewarb, scheiterte er — nicht zuletzt — am Widerstand aus dem eigenen katholischen Lager. Ein Schock mit Folgen. Paul von Hindenburg wurde deutscher Reichspräsident: Eine folgenreiche Weichenstellung für den kommenden Weimarer Untergang und die Machtübertragung an die Nazis.

Wilhelm Marx, der insgesamt zehn Jahre in Elberfeld lebte und arbeitete, wurde später mal als „idealtypischer Zentrumspolitiker“ bezeichnet: ein pflichtbewusster Verwalter und Vermittler im Rahmen seiner politischen Möglichkeiten. Immerhin war er der Kanzler mit der insgesamt längsten Amtszeit zwischen 1918 und 1933. Die Nazizeit verbrachte er vollständig zurückgezogen und passiv in Bonn. Eine irgendwie „deutsche Biografie“ — wenn man so will.

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