Adele Stecher - sie traf Stauffenberg

Adele Stecher ist dem späteren Hitler-Attentäter in seinen Wuppertaler Jahren begegnet – als Haushaltshilfe bei einem mit ihm befreundeten Kapitän.

Wuppertal. In der Fernsehzeitung auf Adele Stechers Wohnzimmertisch sind gleich mehrere Sendungen angekreuzt. Sie alle drehen sich in der einen oder anderen Form um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Das Interesse der 93 Jahre alten Wuppertalerin an den wieder aktuellen Dokumentationen über den Widerstand gegen das NS-Regime hat einen besonderen Hintergrund: Als junge Frau ist Adele Stecher Stauffenberg mehrfach in Barmen begegnet.

"Ich sehe ihn nach wie vor in Uniform vor mir", erinnert sich die Wuppertalerin an ihre erste Begegnung mit dem späteren Hitler-Attentäter. Damals arbeitete die gelernte Köchin aus dem Hunsrück bei einer Familie namens Becker, die an der Emilien- und an der Meckelstraße in Barmen zu Hause war.

Maximilian Becker - der Vater ihres Arbeitgebers Wilhelm Becker - war als Kapitän zur See a. D. (außer Dienst) mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg befreundet. "So kam es, dass er die Familie in Barmen immer wieder besucht hat", erinnert sich Adele Stecher. Als Angestellte des Hauses begrüßte und bewirtete sie die Gäste - und kümmerte sich auch um Stauffenbergs kleinen Sohn Peter, der mit dem etwa gleichaltrigen Sohn der Beckers, Axel, befreundet war.

Während Becker und Stauffenberg im Herrenzimmer miteinander sprachen, ging die Hausangestellte mit den Kindern immer wieder auch spazieren, "im Kothener Busch", wie sie sich mit einem Lächeln erinnert. Was die Männer im Haus unterdessen besprachen, habe sie nicht mitbekommen, erklärt die Elberfelderin. Fest steht allerdings, dass Stauffenberg mit seiner Familie von Januar 1939 bis Ende Juni 1943 an der Lönsstraße 25 in Barmen wohnte und zuvor im Juli 1938 als Generalstabsoffizier nach Wuppertal abkommandiert worden war. Stationiert war er in der Kaserne, die später nach seinem Vorgesetzten Generalleutnant Erich Hoepner benannt wurde.

Im Herbst 1939 gab es erste Versuche, Stauffenberg für den Widerstand gegen Hitler zu gewinnen - zunächst allerdings ohne Erfolg. Von all dem habe sie damals nichts erfahren, fügt Adele Stecher hinzu. "Als Hausangestellte gehörte es sich auch nicht, Gespräche zu belauschen." Vom in letzter Konsequenz fehlgeschlagenen Attentat des 20.Juli 1944 erfuhr sie aus dem Radio. "Wir alle waren natürlich geschockt, aber das alles fiel in eine Zeit, in der viele Dinge passierten. Es war Krieg, und man hat alles so genommen, wie es kam."

Im Jahr zuvor hatten die Bombenangriffe auf Barmen und Elberfeld weite Teile der Stadt zerstört - und vorübergehend lebte Adele Stecher wieder in ihrer alten Heimat. Ihren Mann Heinz hatte sie geheiratet, als er eingezogen wurde, bei einer Kriegstrauung. Er überlebte den Krieg als Gefangener in Frankreich und kehrte später in seine Heimat zur Familie zurück.

Jetzt tauchen viele vergessen geglaubte Erinnerungen an Stauffenberg und das Attentat wieder auf - im Fernsehen. "Ich hätte gestern Abend am liebsten da rein gesprochen", sagt Adele Stecher, deutet auf die Mattscheibe neben dem Wohnzimmerschrank - und meint damit eine der vielen Dokumentationen, die mit Blick auf Tom Cruise als Stauffenberg-Darsteller derzeit wieder gezeigt werden.

Dass sie sich den umstrittenen Film ansieht, steht für die 93-Jährige außer Frage: "Ich war seit 1964 nicht mehr im Kino - und dabei bleibt es auch." Tom Cruise war damals übrigens gerade mal zwei Jahre alt.

Ob Stauffenberg ein Held war? Adele Stecher schaut einen Moment lang zur Decke ihres Wohnzimmers und antwortet mit einem Blick, der nachdenklicher nicht sein könnte. "Ich glaube, er war mehr als das."

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