93 Pauker haben ihre letzte Note gegeben und sagen Adieu

93 Wuppertaler Lehrer sind nun im Ruhestand. Bei manchen herrscht Wehmut – andere scheinen erleichtert.

Wuppertal. Nie wieder Stundenpläne, Tafelschwämme und Zeugnisnoten - das trifft nicht nur auf die frisch gebackenen Abiturienten zu: 93 Wuppertaler Lehrer aller Schulformen wurden vergangenen Freitag feierlich in den Ruhestand entlassen.

"Das ist eine ganze Menge Erfahrung, die den Schulen verlorengeht", bedauerte Oberbürgermeister Peter Jung in seiner Ansprache den Verlust von so viel Kompetenz. Auf der Seite der Lehrer indes sind die Gefühle dahingegen sehr gemischt.

"Eine Erleichterung - endlich Entspannung", freut sich etwa WilfriedReese (63), ehemaliger Schulleiter der Hauptschule Vohwinkel. In einer Sache sind sich alle einig: Schüler von heute sind ganz anders als noch vor 30 Jahren. Mann-von-Weiß findet, dass viel mehr Kinder heutzutage Individualisten seien, was den Schulalltag für alle Beteiligten anstrengender mache. "Die Kinder heute wollen ihre Bedürfnisse und Wünsche immer sofort umgesetzt haben", beobachtet auch Wolfgang Smolla (61) von der Gesamtschule Else Lasker-Schüler.

Der hohe Ausländeranteil an vielen Schulen ist eine weitere Veränderung, die vielen sofort in den Sinn kommt. "Als ich anfing, gab es bei uns einen Italiener und das war richtig aufregend", schmunzelt Reese. Michael Götz (63), ehemaliger Lehrer der Hauptschule Katernberg, spricht von "heutzutage 100 Prozent Migrantenkindern" an seiner Schule. Das sei nicht besser oder schlechter, sondern ganz einfach anders als früher, sind sich beide Lehrer einig - und sprechen damit eine der großen Herausforderungen an, die das deutsche Bildungssystem in den nächsten Jahren zu bestehen hat.

Auch von der aktuellen Schulpolitik ist die Rede. "Wenn dauernd das Ruder herumgerissen wird, fahren wir einen Schlingerkurs", sagt Oberbürgermeister Peter Jung - und trifft damit den Nerv von Rainer Dollbaum (62) vom Carl-Duisberg-Gymnasium. Er findet, dass aktuelle Entscheidungen, wie beispielsweise das umstrittene Turbo-Abitur G8, noch gar nicht beurteilt werden können.

Eine ganz andere Entwicklung beobachtet die ehemalige Schulleiterin Birgit Wernecke (62) von der Grundschule Rottsieper Höhe. "Heutzutage zählen das Image und das Prestige einer Schule viel mehr." Früher sei die Schule einfach da gewesen - heute ginge es oftmals um Schulentwicklung in Form von innovativen Projekten.

Gibt es eine Weisheit, die die Lehrer an ihre jüngeren Nachfolger weitergeben würden? Götz empfiehlt einen Seefahrer-Tipp: "Eine Hand für’s Schiff, eine Hand für den Mann." Heißt: Lehrer müssen sich ihre Kräfte einteilen und auch an sich selbst denken. "Sie dürfen sich nicht entmutigen lassen", stellt Reese fest. "Man muss sich über kleine Fortschritte freuen."

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