Hilfe für Kinder in großer Not

Für den Verein „Kinder brauchen uns“ holte das DRK verletzte Kinder aus Afghanistan am Flughafen Hamburg ab. Im DRK-Zentrum warteten die Gasteltern.

Sprockhövel/Hamburg/Kabul. Kainat schläft. An den zehnstündigen Flug von Kabul nach Hamburg und die lange Autobahnfahrt zum DRK-Zentrum in Sprockhövel wird sie sich dereinst ebenso wenig erinnern wie an die Operation, die ihr bevorsteht. Das Mädchen aus Afghanistan ist gerade mal 18 Monate alt - laut Papieren. "Sie muss wesentlich jünger sein", sagt Kerstin Rübeling aus Herdecke, in deren Armen die Kleine schläft. "Ich ziehe den Hut vor den Eltern, die ihre Kinder in unsere Obhut geben."

Seit sechs Jahren nimmt Familie Rübeling schwerkranke oder verletzte Kinder aus Afghanistan auf, die in Deutschland behandelt werden, um wieder die Heimreise anzutreten. Kainat wird gewiss nicht lange bleiben, denn der chirurgische Eingriff zur Beseitigung ihrer Gaumenspalte stellt hierzulande keine große Herausforderung dar. Andere Kinder hat es wesentlich härter getroffen.

Um ihnen zu helfen, hatte sich 2001 in Mülheim der Verein "Kinder brauchen uns" gegründet. "Anfangs haben wir jeweils nur einzelne Kinder nach Deutschland holen können", berichtet Vereinssekretärin Petra Rainer. Mittlerweile stehen mehr hilfreiche Hände zur Verfügung, und so schlug die Organisation am Freitag eine dritte große Luftbrücke nach Afghanistan.

Ein Airbus der Hamburg International brachte 25 genesene Kinder nach Kabul und nahm auf dem Rückflug 80 kleine Patienten nach Hamburg mit. Die schwersten Fälle wurden gleich in eine Klinik gebracht, von den übrigen Kindern sollen 35 demnächst in NRW-Krankenhäusern behandelt und in dieser Zeit von Pflegeeltern betreut werden.

Ein DRK-Team aus Schwelm, Sprockhövel, Hagen und Plettenberg brachte die Kinder zum Sammelpunkt am Hoppe in Haßlinghausen, wo bereits Stunden vor dem Eintreffen die Gasteltern warteten. Für das DRK nicht der erste Einsatz dieser Art. Im vergangenen Jahr hatte man mit einer ähnlichen Aktion das Friedensdorf in Oberhausen unterstützt, das seit Jahrzehnten Kinder aus Krisengebieten zur Behandlung nach Deutschland holt.

Am Freitag hatte das DRK-Team für die Neuankömmlinge und die wartenden Eltern auch eine Mahlzeit zubereitet. Für die einen oder anderen Gasteltern gab es dabei ein Wiedersehen. "Ich freue mich schon riesig", sagt Edward Maddocks aus Essen. Vor vier Jahren hatte er den kleinen Khaliq bei sich aufgenommen, der an Lymphdrüsenkrebs erkrankt war und nach siebenmonatiger Therapie zurückgeflogen wurde. Die Trennung war hart damals. Khaliq, den sein Pflegevater heute auf ein Alter von neun Jahren schätzt, kommt nun jährlich zur Nachuntersuchung nach Deutschland.

So was wie Steckdosen kannte der Junge damals gar nicht. Er hat immer wieder ausprobiert, wie das funktioniert. Schnell lernte Khaliq Deutsch und verriet auch, worüber er sich sonst so wunderte, etwa über Mädchen, die ein Moped fahren, denn derlei Zeichen von Emanzipation sind in afghanischen Dörfern selten. Kultur- und Sprachtransfer aber erachtet Maddocks als zweitrangig. Für ihn ist wichtig, was Petra Rainer auf den Punkt bringt: "Ohne uns wären viele Kinder in Afghanistan dem Tod geweiht."

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