Häuser mit Tradition Habbel: Knarrende Balken und blitzende Kessel

1871 ließ Heinrich Habbel die Brennerei errichten. Fassade und Ausstattung stehen heute unter Denkmalschutz.

Haßlinghausen. „Das Haus spricht mit mir“, sagt Michaela Habbel, die zusammen mit ihrem Vater Michael die Brennerei Heinrich Habbel mit angeschlossenem Speiselokal an der Gevelsberger Straße 127 führt. Sprechendes Haus — das hat nichts mit Hausgeistern zu tun, sondern mit, meist nachts, knarrenden, uralten Holzbalken. Das 1871 im Auftrag von Heinrich Habbel errichtete Gebäude ist mit seiner reich verzierten und gegliederten Fassade typisch für die Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts.

Häuser mit Tradition: Habbel: Knarrende Balken und blitzende Kessel
Foto: Mathias Kehren

Ein Dacherker mit Kranbalken vor der Ladeluke betont die Mittelachse des Gebäudes. Was an die Speicherstadt in Hamburg erinnert, ist voll funktionsfähig und wird in jedem Jahr vom TÜV geprüft.

Nicht nur die attraktive Fassade steht unter Denkmalschutz, sondern auch die technische Ausstattung mit den glänzenden Kesseln, den Brenntürmen für Roh- und Feinbrand, dem „Kolonner“, einem Destilliergerät, das sich röhrenförmig bis in die dritte Etage zieht, den Öfen und Perkulatoren, in denen oft 50 verschiedene Kräuter mit Alkohol angesetzt werden, und dem Deggerator, in dem die Kräuter erhitzt werden.

„Drogen“ werden die Rohstoffe genannt, die in der „Drogenkammer“ verwahrt werden: kein Haschisch, Heroin, LSD oder Opium, sondern „Galgant“ (Ingwer), Tonka-Bohnen, Rhabarber, Koffein und Pommeranzenschalen, die den Schnäpsen aus dem Hause Habbel die Würze geben. „Deshalb ist es auch falsch, Obstbrände eiskalt zu servieren. Weil die Kälte ja die Geschmacksnerven betäubt, sodass man das Aroma überhaupt nicht richtig genießen kann“, gibt es eine kleine Kunde für den Umgang mit geistigen Getränken. Von denen sind rund 100 Eigenproduktionen im tiefen Kellergewölbe vorrätig.

„Das Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Kernsortiment mit rund 20 Marken“, sagt Michael Habbel. Dazu gehört der aus südwestfälischem Getreide gewonnene Whisky. „Der älteste, der in Deutschland hergestellt wird“, wie der Hausherr stolz vermerkt, der als Kostbarkeit auch noch ein Destillat von 1977 in seinem Keller hat und für seine Obstbrände ebenfalls Früchte der Region verwendet. Zigtausende Flaschen lagern in dem verzweigten Gewölbe, und zahlreiche Urkunden und Medaillen künden von der Qualität der im Denkmal hergestellten Produkte.

„Früher war das eine reine Fuhrmannskneipe, in der vor allem Wacholderschnaps ausgeschenkt wurde“, sagt Michael Habbel, „und damit die Pferde mit ihren Fuhrwerken nicht selbstständig auf Wanderschaft gingen, während die Fuhrleute sich stärkten, waren an der Fassade Eisenringe angebracht.“ Auch eine kleine Landwirtschaft gehörte damals dazu. Die Tochter des Hauses logiert im früheren Kuhstall des Anwesens, das auch zu Wohnzwecken genutzt wird und dessen Balken immer noch so manches mitzuteilen haben. So wie das melodische Glockenspiel, das den Besucher und Gast willkommen heißt, wenn er auf den mächtigen Fliesen aus Ruhrsandstein das Industrie-Denkmal betritt.

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