Gesang für Vaterland und Gott

Die Sparkasse widmet den Männer-Chören in Sprockhövel eine Ausstellung — kurios wie tragisch.

Gesang für Vaterland und Gott
Foto: Gerhard Bartsch

Sprockhövel. Sie hießen „Waldeslust“, „Harmonie“, „Vorwärts Glückauf“, „Germania“, „Liederkranz“ oder „Heimatklänge“, die Männergesangvereine in Sprockhövel, denen jetzt im Ausstellungsraum der Sparkasse in der Hauptstraße 85 eine bemerkenswerte Ausstellung gewidmet ist. Bis zum 24. Februar sind auf Stellwänden, in Vitrinen oder Stellagen Zeugnisse von 170 Jahren Sprockhöveler Gesangs-Tradition zu bewundern.

Und es weckt schon Respekt, wenn man vor den viele Jahrzehnte alten Schärpen und Fahnen aus schwerem rotem und grünem Samt, Damast oder Brokat steht, kunstvoll bestickt mit Sprüchen wie: „Wo Einigkeit und Freude blüht, erschalle mein Freies Lied“. So steht es auf der Fahne des Arbeitergesangsverein „Vorwärts Glückauf“, die während des zweiten Weltkrieges im Kohlenkeller eines Mitgliedes verborgen wurde, weil die Nazis den Arbeitergesangverein verboten hatten. Die sangesfreudigen Arbeiter hatten aber schon zu Kaiserzeiten allerhöchsten Unwillen erregt, und so durften sie nicht in einem Lokal proben, sondern mussten ihre frohen Lieder im Keller eine Sangesfreundes schmettern.

Es sind Erinnerungsstücke, die Alt-Bürgermeister Klaus Walterscheid zusammen mit Gerhard Koch, dem stellvertretenden Vorsitzenden des einladenden Heimat- und Geschichtsvereins, und Edgar Tönges gesammelt hat.

„Man wollte der Ödnis des Alltags entfliehen und Geselligkeit erleben“, nannte der Ehrenvorsitzende des HGV, Ludger Haverkamp, einen der Gründe für die lange tradition des Gesangs in Sprockhövel. Auch das Lob der Ehren Gottes fiel darunter.

Es lohnt, den Ausstellungsstücken ein wenig Zeit zu widmen. Dann entdeckt man Kurioses wie „Der deutschen Jugend Liederschatz“, das Weinfässchen, das der MGV Obersprockhövel von den Sangesbrüdern auf Wolf an der Mosel erhielt, die riesige Kuhglocke mit Edelweiß am Bande, das der Musikverein Bregenz den Sprockhövelern zum Geschenk machte. Oder die Plakette mit dem Porträt Richard Wagners als „II. Hauptehrenpreis der II Klasse“ mit viel stimmlichem Aufwand bei einem Sängerwettstreit ersungen. Auf imposanten Gruppenfotos schauen Herren angetan mit die Kehlen einschnürenden Vatermördern und Schnurrbärte, grimmig drein und demonstrieren mit offensichtlich vaterländischer Gesinnung, dass das mit dem Gesang kein Spaß war.

An Tragödien wird erinnert, wenn es bei der „Waldeslust“ heißt. „Der Krieg 1914 brach aus, und die Blüte des deutschen Volkes zog ins Feld. Dadurch wurde so manche klaffende Wunde in die Reihen der deutschen Sängerschaft gerissen.“

Umrahmt werden die Zeugnisse Sprockhöveler Sangeskunst von Schautafeln des Deutschen Chorverbandes, der erst sein 150jähriges Jubiläum feierte. Motto: „Vom Freiheitskampf zur Freizeitgestaltung“, womit bei Ausleuchtung der gesellschaftlichen Hintergründe gezeigt wird, dass aus Köpfen und Kehlen der heute eher als gemütlich geltenden Sangesbrüder durchaus revolutionäres Potenzial zum Ausdruck kam.

Heute gibt es in Sprockhövel, wo einst 25 Chöre existierten, nur noch einen Gesangverein. .

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