Fast 300 Unternehmen haben schon Kurzarbeit angemeldet

Bei der Arbeitsagentur Hagen steht das Telefon nicht mehr still. In Sprockhövel ist Wicke die erste größere Firma, die die Flaute durch Kurzarbeit überbrücken will.

Herzkamp/Hagen. Bei den für Kurzarbeit zuständigen Mitarbeitern der Hagener Agentur für Arbeit läutet das Telefon derzeit ständig. "Rund 50 Anrufe pro Tag hat jeder von Unternehmen, die sich für Kurzarbeit interessieren", schätzt Agentur-Sprecher Ulrich Brauer. Seien es eine wegbrechende Auftragslage oder die Angst vor der großen Krise - viele begegnen der um sich greifenden Unsicherheit mit diesem Mittel. "Positiv ist immerhin, dass sie nicht gleich Mitarbeiter entlassen", sagt Brauer, der weiß, dass Kurzarbeit im allgemeinen ein Vorbote, sich eintrübender Konjunktur ist. Derzeit seien etwa 5500 Beschäftigte in Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis von Kurzarbeit betroffen, Tendenz rapide steigend. Die meisten Kurzarbeiter kommen aus der Automobilzuliefer-Industrie und dem Transportwesen, doch inzwischen seien auch Firmen aus andere Bereiche betroffen.

So wie Wicke, der Herzkamper Spezialist für Schwerlast-Rollen und -Räder. Als erster größerer Betrieb aus Sprockhövel hat Wicke ab Januar Kurzarbeit angemeldet. "Wir beliefern schließlich die Investitionsgüterindustrie, und wenn keine Gabelstabler gebaut werden, können wir auch unserer Räder nicht absetzen", nennt Personalchef Peter Steinmann ein Beispiel aus dem breit gefächerten Anwendungsspektrum der Wicke-Produkte.

Gerade weil die Wicke-Rollen so vielfältig verwendet werden, beispielsweise in Rolltreppen, Aufzügen, Einkaufs- und Transportwagen sei der seit Oktober spürbare Auftragseinbruch so verwunderlich. Bis zum Sommer sei noch alles ganz normal gelaufen. "Unsere Chef Klaus Schlösser hat gesagt, er habe das in dieser Form in 40 Jahren nicht erlebt", berichtet Steinmann von einer Betriebsversammlung im Dezember.

"Was uns auf der Seele liegt, ist unser Personal halten zu können", sagt Steinmann. Dem Personal zu Liebe habe man auch darauf verzichtet, die laut Tarifvertrag mögliche Regelung in Anspruch zu nehmen, die Wochenarbeitszeit von 30 auf 35Stunden abzusenken - ohne Lohnausgleich. Für die rund 260 Mitarbeiter hätte das größere finanzielle Einbußen bedeutet als derzeit durch das Kurzarbeitergeld.

Steinmann: "Wir sehen zu, dass weiter alle Bereiche im Haus besetzt sind, um flexibel und handlungsfähig zu bleiben. Es ist ja nicht so, dass wir gar keine Arbeit haben." Die Belegschaft ist aber deutlich ausgedünnt. Viele bleiben einen oder mehrere Tage pro Woche zu Hause. Samstags und teilweise auch sonntags wie in Boomzeiten wird schon seit Sommer nicht mehr gearbeitet. Bis Ende des Jahres wurden außerdem Überstunden abgebaut, um dem zurückgehenden Auftragseingang gerecht zu werden. Kündigungen will Wicke auch weiter vermeiden. Nur eine Handvoll zum Jahresende auslaufende Zeitverträge seien nicht verlängert worden. "Irgendwann hört die Flaute auch wieder auf, dann braucht man jede Fachkraft", sagt Steinmann. Wann, das könne derzeit niemand sagen. Er habe vorsorglich für ein halbes Jahr Kurzarbeit angemeldet. "Früher aussteigen können wir immer noch, unser Geschäft ist sehr kurzfristig, das kann sich von Monat zu Monat ändern."

Die Arbeitsagentur in Hagen wirbt massiv bei den Firmen, das Instrument der Kurzarbeit zu nutzen, ehe Entlassungen erwogen werden und die Zeiten gleichzeitig für eine Weiterbildung der Mitarbeiter zu nutzen.

Bernd Trebehs, Sachbearbeiter für Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsagentur, hat noch die Hoffnung, dass bei vielen Firmen, die derzeit Kurzarbeit anmelden, auch "eine Menge Panik" angesichts der schlechten Nachrichten von Wirtschafts- und Finanzmärkten dabei ist und viele ihre Aktivitäten erst einmal herunterfahren, um ein neues Grundmaß zu finden. "Wenn das wirklich mit dem vorhandenen Bedarf zu tun hätte, dann sähe es böse aus."

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