Familie Sander: Schicksal einer jüdischen Familie

Karin Hockamp erzählt die Geschichte von Herta Sander.

Sprockhövel. Stadtarchivarin Karin Hockamp hat das Schicksal einer in Sprockhövel geborenen Jüdin zur Zeit des Nationalsozialismus erforscht und die Ergebnisse zu einem Text zusammengefasst. In zwei Folgen wird in der WZ die Geschichte von Herta Sander und ihrer Familie erzählt.

Vor 70 Jahren begannen die Deportationen jüdischer Menschen aus dem Rheinland und Westfalen in das Ghetto Riga. Auch die aus Sprockhövel stammende Herta Sander, geborene Röttgen, ihr Ehemann und ihr Sohn aus Rees (heute Kreis Kleve) gehörten zu den Verschleppten.

Herta Röttgen wurde 1897 in Sprockhövel geboren. Die Familie war die einzige jüdische Familie in der Gemeinde Niedersprockhövel. Hertas Vater Nathan war Viehhändler; ihre Mutter Clara versorgte die Familie. Das Haus der Röttgens stand an der Kreuzung Hauptstraße/Bahnhofstraße am heutigen Kreisverkehr.

Ab Ostern 1903 besuchte Herta die Volksschule Nord. Als 1910 die Rektoratschule Sprockhövel auch Mädchen aufnahm, war sie eine der ersten Schülerinnen. Auch Hertas jüngere Geschwister besuchten diese Schule.

Die Rektoratschule war eine Art Realschule, die von Kindern besucht wurde, die eine bessere Schulbildung erhalten sollten. Im damaligen Sprockhövel war eine höhere Schulbildung für Mädchen die Ausnahme: Von den 36 Schülern der Rektoratschule waren 1910 nur sechs Mädchen.

Eine Berufsausbildung hat Herta Röttgen nicht erhalten. Ihre Schwester Emmy war das einzige der vier Röttgen-Mädchen, das eine Lehre machen durfte. Im Alter von 23 Jahren heiratete Herta den jüdischen Viehhändler Max Sander. 1923 siedelten sie sich in Isselburg (heute Kreis Borken) an. Eine Tochter und drei Söhne wurden hier geboren.

Wie lange der Viehhandel Max Sanders hier bestand, ist nicht mehr zu ermitteln; vermutlich wurde auch er ein Opfer der Wirtschaftskrise 1929. Ende Januar 1933 zog die Familie Sander nach Rees um, wo im April Sohn Walter geboren wurde. Max Sander hatte bei dem jüdischen Futtermittelproduzenten B.S. Wolf Arbeit gefunden. In Rees, das auch eine alte Synagogengemeinde beherbergte, lebten damals 55 jüdische Menschen.

Wie Röttgens und Sanders die Auswirkungen des NS-Regimes bewerteten, ist nicht überliefert. Es gab sicherlich Diskussionen, ob man angesichts des Antisemitismus und der zunehmenden Entrechtung bleiben oder auswandern solle.

Waren die Nazis nur eine vorübergehende Erscheinung? Konnten Übergriffe gegen loyale Staatsbürger tatsächlich straflos bleiben? Hertas Ehemann Max hatte schließlich als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient. Das alles sollte nichts gelten im neuen Deutschland Adolf Hitlers? Unvorstellbar.

Die weiteren Recherchen zu Familie Sander lesen sie ab Donnerstag in der WZ

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