Neuss: Herrin über 500 PS und 40 Tonnen Last

Lkw-Fahrerin Friederike Engler transportiert Palmöl täglich von Neuss nach Rotterdam.

Neuss. Auf dem Bock fühlt Friederike Engler sich am wohlsten. Zweieinhalb Meter über der Straße, 500 PS unter sich und 40 Tonnen Last hinter sich. "Desch is mei’ Ding", sagt die gebürtige Schwäbin und rückt den Sitz zurecht. Seit gut zwei Jahren fährt sie für die Spedition Gauder. Früher Stahl, heute Palmöl. Jeden Tag geht es nach Rotterdam und zurück. Dreieinhalb Stunden braucht sie für die Strecke, die sie längst in- und auswendig kennt.

Friederike Engler ist Lkw-Fahrerin aus Leidenschaft, einen anderen Job möchte die 52-Jährige nicht mehr machen. "Eigentlich isch’ des kei’ Job, sondern wirklich a’ Beruf", betont sie, verschweigt aber nicht, dass es nicht immer der leichteste ist. Als Frau in einer Männerdomäne musste sie sich anfangs durchsetzen. Musste damit umgehen, dass die Gespräche verstummten, sobald sie dazu trat, musste sich an den derben Humor der Männer gewöhnen, musste zeigen, dass sie eine von ihnen ist.

Als Lkw-Fahrerin ist sie immer noch die Ausnahme. "Man darf net empfindlich sein", sagt Friederike Engler, "mittlerweile kennt man sich".

Dass sie Diesel im Blut hat, wusste die resolute Frau schon lange. Bevor sie jedoch das erste Mal selbst hinter dem Steuer eines Lkws Platz nahm, absolvierte sie eine Lehre zur Garten- und Landschaftsbauerin. Als Leiterin eines landwirtschaftlichen Lagers stand sie irgendwann vor dem Problem, dass keine Männer da waren, um die schweren Säcke wegzubringen.

In ungewohnter Rolle

"Traust Du Dir das zu?", wurde sie gefragt. Friederike Engler bejahte. "Kann ja nur schief gehen", sagte sie. Es ging nicht schief, sicher fuhr sie den schweren Lastwagen ans Ziel. Und die Faszination, die sie schon als Kind ergriffen hatte, wenn sie mit ihrer Mutter im Lkw unterwegs war, stellte sich wieder ein. "Die Strecke Stuttgart-Pforzheim, mit diesem langen Berg: Ich fand es faszinierend, auf dieser Kriechspur den Berg hochzuschleichen", erinnert sie sich.

Schleichen muss sie mit ihrem "Auto", wie sie die Zugmaschine nennt, nicht mehr. Die 500 PS bringen das schwere Gefährt erstaunlich schnell auf 80 km/h. Und einmal auf der Autobahn, ist Friederike Engler ohnehin im Entspannungszustand. Sicher lenkt sie ihr schwankendes Gefährt durch enge Baustellen, wirft kontrollierende Blicke in den Spiegel und ärgert sich ein bisschen über den kleinen Pkw da unten, dessen Fahrer meint, er müsse sich noch vor sie quetschen. "Die müsschten mal wisse, wie lang der Bremsweg von so einem Lkw ist", schimpft sie.

Wie ein Wohn-/Arbeits- und Schlafzimmer sieht es in ihrem "Auto" aus. In Schubfächer bewahrt sie ihre eigenen Sachen auf, hinter den Sitzen liegen Decke und Kissen auf einer Matratze.

Früher, als sie noch Fernstrecken fuhr und bis nach Spanien, Frankreich und England kam, nutzte sie die Schlafgelegenheit häufig. Mal ließ sie ihren Lkw in einem Gewerbegebiet vor Paris stehen und erkundete mit der Metro die Hauptstadt, ein anderes Mal fuhr sie mit dem Laster durch London. "Desch’ is’ das Tolle an meiner Arbeit. Man hört viel, man sieht viel. Es macht einfach Spaß!"

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