Nachruf Zum Tode des Sammlers Volker Kahmen

Neuss. Volker Kahmen ist tot. Er starb vor drei Tagen, kurz vor seinem 78. Geburtstag, wie die Stiftung Insel Hombroich meldet. Er war ein herausragender Sammler von Literatur und Kunst.

Im Jahr 2000 gründete er eine gemeinnützige Literaturstiftung unter dem Dach der Stiftung Insel Hom-broich, wobei er Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer blieb. Die Inselstiftung stellte ihm im Gegenzug das „Rosa Haus“ zur Verfügung und baute ihm die Kirkeby-Halle für seine Ausstellungen. Verträge mit der Insel über sein immenses Kunstarchiv gibt es nicht. Hier wartet man nach Auskunft von Bernd Eversmann vom Stiftungsvorstand das Testament ab. Das Literaturarchiv enthält weit mehr als 30000 Manuskripte und Originalausgaben aus dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, darunter Kafka, Celan und Varnhagen, aber auch die größte private Else-Lasker-Schüler-Sammlung mit Zeichnungen und Handschriften.

Die deutsch-jüdische Literatur mit Karl Kraus, Walter Benjamin, Adorno, Hermann Bloch und Martin Buber sowie die Goethezeit mit Goethe selbst, Wieland, Lavater mitsamt seinen Physiognomien gehören zu diesen Schätzen. Kahmen agierte als Privatgelehrter. Er suchte die individuelle Perspektive, das geistige Konzept, die Verzahnung unterschiedlicher Medien. Er dachte assoziativ und inszenierte Räume, in denen jeder Besucher seine eigenen Entdeckungen machen sollte. Der Surrealist Magritte malte ihm sein letztes Bild Er hatte Kunst- und Literaturgeschichte in Würzburg studiert und über den Bamberger Dom promoviert. Er war 20 Jahre alt, als er 1959 die Bechers kennenlernte. In den frühen 60er Jahren zog er mit dem Künstlerpaar durch die Gegend, schrieb in Architekturzeitschriften über sie und lernte auch die Werke August Sanders kennen. 1964 organisierte er als 25-jähriger Student im Documenta-Jahr eine Ausstellung mit der jungen Düsseldorfer Kunstszene, weil diese Künstler in Kassel unberücksichtigt waren. 1969 hatte er wesentlichen Anteil an den ersten großen René-Magritte-Ausstellungen.

Der Surrealist malte vor seinem Tod dem Sammler sein letztes Bild. Kahmen besaß aber auch Briefe, Zeichnungen und Fotos von ihm. Nach Magrittes Tod widmete sich Kahmen dem Düsseldorfer Maler Bruno Goller und trug die schönsten Werke zusammen. Er wurde Testamentsvollstrecker seines Nachlasses. Wie selbstverständlich entstand die Sammlung zunächst ohne eigenes Kapital, indem er sich für seine Artikel in Realien bezahlen ließ.

Erst als er seine frühe Fotosammlung 1984 ans Getty-Museum verkaufte, ging er strategisch vor, kaufte etwa die seltenen erotischen Blätter des Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer. Stets konzentrierte er sich auf exemplarische Stücke, die längst zu Inkunabeln geworden sind. Im Jahr 2000 unterzeichnete er auf Vermittlung des Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe einen Schenkungsvertrag mit dem Düsseldorfer Museum Kunstpalast über Kunstwerke vorwiegend von Bruno Goller, aber auch von Gotthard Graubner und anderen. Sie lagern im Museum Kunstarchiv Kaiserswerth, wo er noch wenige Monate vor seinem Tod über eine Neukonzeption nachdachte.

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