Tochter von Sven F. nimmt Eltern in Schutz

Die Zeugin bestritt am achten Tag des Mordprozesses, dass ihre Eltern Kindern gegenüber gewalttätig seien.

Neuss/Düsseldorf. Zu Beginn des achten Tages im Prozess um den Neusser Sven F., dem vorgeworfen wird, seinen elf Jahre alten Neffen Jörg getötet zu haben, machte der Schwurgerichtsvorsitzende Markus Immel die Verfahrensbeteiligten auf eine E-Mail von Staatsanwalt Martin Stücker aufmerksam. Aus dieser gehe hervor, dass das Jugendamt nochmals bei der Familie des Angeklagten vorstellig geworden sei — zu einem Zeitpunkt, nachdem Sven F. sein Geständnis, das er zum Prozessauftakt von seiner Verteidigerin hatte verlesen lassen, bereits widerrufen hatte und stattdessen seine Ehefrau beschuldigte.

Bei dem Besuch des Jugendamtes habe sich die Ehefrau, so gab Immel den Inhalt der E-Mail wider, „völlig gelassen“ gegeben und soll bestritten haben, dem Jungen die tödlichen Verletzungen zugefügt zu haben, ihr Mann sei es aber auch nicht gewesen. Eine Einlassung der Ehefrau vor Gericht wird es wohl nicht geben. Sie macht bislang von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auch einer Verwendung der polizeilichen Vernehmungsprotokolle stimmt sie nicht zu.

Eine ihrer Töchter sagte am Montag jedoch als Zeugin aus. Und nahm sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater in Schutz. „Meine Eltern schlagen keine Kinder“, sagte die Schülerin. Jörg sei „ein netter Junge“ gewesen, den sie erst kennengelernt habe, als er mit seiner Großmutter in den Sommerferien bei der Familie seines Onkels Sven F. vorübergehend einzog. Jörg sei zwar ein weitestgehend ruhiges Kind gewesen, „aber er hat manchmal versucht, der Boss zu sein“, so die Tochter des Angeklagten. Der wahre „Boss“ der Familie sei jedoch ihr Vater. Am vorangegangenen Prozesstag hatte der Angeklagte betont, dass er sich zwar „gerne boxe“, jedoch ausschließlich mit erwachsenen Männern. „Wenn es um Gewalt gegen Kinder oder Frauen geht, flippe ich aus“, hatte der 41-Jährige betont.

In der Zeit vor der Tat sei Jörg nach Angaben der Tochter mit blauen Flecken nach Hause gekommen. Ihr gegenüber habe der Junge behauptet, dass er in der Schule von mehreren Jungen verprügelt worden sei. Zudem sei er mal mit Nasenbluten vom Spielplatz gekommen. Am Abend der Tat — die Tochter habe Jörg gesehen, wie er in der Wohnung von Rettungskräften wiederbelebt wurde, als sie von der Schule kam — hätten ihre Eltern behauptet, dass Jörg in der Badewanne umgekippt sei. Der Prozess wird am Dienstag (26. Juni) fortgesetzt.

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