Theaterpremiere: „Fiese Matenten“ - TaS nimmt den Klüngel aufs Korn

Das Stück „Fiese Matenten“ feierte im Theater am Schlachthof Premiere.

Neuss. Kann jemand in Neuss Bürgermeister werden, der nicht trinkfest aus der Kirche ausgetreten ist? Kann er, wenn er nur eine verrückte Vision hat. In ihrer Komödie „Fiese Matenten“, die jetzt im Theater am Schlachthof Premiere hatte, haben Jens Spörckmann und Markus Andrae ihrer Fantasie freien Lauf gelassen.

Neusser Klüngel über 200 Jahre — sie zeichnen nicht gerade ein ehrenvolles Bild von den Mächtigen der Quirinusstadt. Die Komödie ist raffiniert aufgebaut: Sie entführt die Besucher abwechselnd in die Zeit des Nordkanal-Baus und in die Gegenwart. Dabei wird immer deutlicher, dass es zwischen den Akteuren von einst und heute verwandtschaftliche Beziehungen gibt. Beziehungen, die stärker sind als alles Trennende — Klüngel pur eben.

Die Schauspieler machen einen hervorragenden Job. Ana Maria Gonzalez beispielsweise verkörpert in der Franzosenzeit die derbe, zupackende Wirtin Maria Faßbender, in der Gegenwart spielt sie die reiche Neusser Witwe Frau Salz. Daniel Cerman glänzt in der Rolle des Bürgermeisterkandidaten: Hilflos, größenwahnsinnig, auf eine hirnrissige Vision reduziert, nämlich die, das Projekt „Nordkanal“ rund 200 Jahre nach Napoleon zu einem Ende zu führen, um Neuss zu Berühmtheit zu verhelfen.

Die Zuschauer erleben, wie Macht und Beziehungen eingesetzt werden, um ein irrationales Ziel zu erreichen. Und sie müssen mit ansehen, wie die Referentin des Bürgermeisters (Natascha Popov), eine kalte, berechnende Person, den Bürgermeister ins offene Messer laufen lässt. Sie hat recherchiert, dass ihr Vater einer seiner Vorfahren ist und sich damals abgesetzt hat, ohne sich um seine schwangere Frau zu kümmern.

Ebenfalls eine schillernde Persönlichkeit: Als Bauunternehmer Dries van de Aushuub wirkt der füllige Bertolt Kastner wie ein „Schmierlappen“ — trotzdem wickelt er selbst die machtbewusste Frau Seitz um den Finger. Zur Franzosenzeit hat Kastner als Nordkanal-Ingenieur ein Verhältnis mit Maria Faßbender, verlässt sie aber später.

Tim Fleischer sagt als Chronist, was Sache ist und schlüpft in die Rolle des Lokalreporters — der ebenfalls Teil des Beziehungsgeflechts sein soll. Für Lacher sorgt immer wieder die Kombination von deutscher und französischer Sprache. Eine Kostprobe: „Ich je t“aime dich doch.“ Es wird auch Klartext gesprochen: „Ich hasse die kleingeistigen Leute in dieser kleingeistigen Stadt — hier wird sich nie was ändern!“ Zum Schluss wird die eiskalte Referentin Bürgermeisterin — und erste Neusser Schützenkönigin.

Es hat sich also doch etwas geändert. In „Fiese Matenten“ werden Machenschaften angedeutet, die möglicherweise auch im wahren Neuss so oder ähnlich vorkommen beziehungsweise vorgekommen sind. Trotz der wenig kaschierten Kritik werden immer wieder auch die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert, wie man es von einer guten Komödie erwartet.

Die enorme Spielfreude aller Akteure zeichnet „Fiese Matenten“ aus: Wenn beispielsweise Bertolt Kastner mit seinem Boot mit den unsichtbaren Rädern wie ein vergnügter Vierjähriger über die Bühne rast, kann man für einen Moment die wenig sympathischen Machenschaften der Mächtigen in „Nüss“ vergessen und einfach nur lachen.

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