Seelsorger hilft den Unfall-Helfern

Jeder Einsatz hinterlässt Spuren bei den Rettern. Gregor Ottersbach hilft in diesen Situationen.

Seelsorger hilft den Unfall-Helfern
Foto: Anja Tinter

Kaarst. Erst am Mittwoch um 19.54 Uhr ist die Feuerwehr Kaarst erneut zu einer vermissten Person am Kaarster See alarmiert worden. Glücklicherweise wurde die Person noch rechtzeitig unversehrt aufgefunden, was bedeutete: kein Einsatz für die Feuerwehr. Zwei Mal war es in den vergangenen Wochen allerdings kein Fehlalarm und die Rettungskräfte konnten nicht verhindern, dass zwei Menschen — ein vierjähriger Junge und ein 19-jähriger Mann — im See ihr Leben lassen. Wenn so etwas passiert, sind nicht nur die Angehörigen in seelischer Not, auch die Helfer selbst müssen ein solches Ereignis verkraften.

Einer, der ihnen dabei hilft, ist Pfarrvikar Gregor Ottersbach. Er wurde vom Erzbistum Köln mit der Seelsorge und Notfallkoordination für Feuerwehr und Rettungsdienst für den gesamten Rhein-Kreis betraut, zudem ist er Fachberater in der Seelsorge für die Feuerwehr in Kaarst. Ottersbach hat reichlich Erfahrung auf dem Gebiet, zwölf Jahre war er Militärseelsorger und in diesem Kontext auch in Afghanistan unterwegs. Er hat schon vielen Menschen in schwierigen Zeiten geholfen.

Es mache aber einen großen Unterschied, so der Geistliche, ob es sich dabei um Rettungskräfte oder „normale“ Betroffene handele, die er unterstützt.. „Einsatzkräfte brauchen jemanden, der die Situation nachvollziehen kann, deshalb muss ein Gespräch nach dem Einsatz anders laufen, als mit einer Gruppe Angehöriger.“ Eine lose Gruppe könne jederzeit entscheiden, dass die Ereignisse zu viel sind und gehen. Professionelle Helfer würden die Geschehnisse aushalten, bis sie den Einsatz abgeschlossen hätten, sagt Ottersbach.

Zunächst mal sei es wichtig zu verstehen, was die Helfer nach einem Einsatz empfinden. Ottersbach: „Sie sind enttäuscht, weil der Einsatz nicht so endet, wie er sollte. Man hat sich angestrengt, mit hohem Adrenalin gearbeitet und merkt dann: das klappt nicht, obwohl man die Hoffnung hatte.“ Auch Trauer gehöre dazu, genauso wie Wut, zum Teil auch Unverständnis und sie seien betroffen, sagt der Pfarrvikar. „Im Einsatz funktionieren Einsatzkräfte, sie haben gelernt, ihre Emotionen eine gewisse Weile zurückzuhalten.“ Darum sei eine Einsatznachbesprechung wichtig. „Direkt im Anschluss, nachdem man vom Ort des Geschehens weggefahren ist, setzt man sich zusammen und jeder hat die Möglichkeit, über das, was er gesehen, erlebt und gefühlt hat, zu sprechen.“

Einen Akt der Kameradschaft nennt Ottersbach das, denn es gehe darum, für jeden die Möglichkeit zu eröffnen, das ganze Bild des Einsatzes vor Auge zu haben.„Wer vorne gearbeitet hat, hat vielleicht nicht mitbekommen, was hinten passiert. So können Fragen geklärt werden und Dinge fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen, so dass die Helfer sehen: was sie gemacht haben, war insgesamt gut und sie sind ein Teil von dieser guten Arbeit.“ Wenn man das sagen könne und keine Fragen mehr habe, könne die persönliche Verarbeitung des Einsatzes mit Körper und Seele beginnen.

Wie das geschieht, sei völlig unterschiedlich: „Der eine geht spazieren, der andere zieht sich zurück, der nächste muss unter Leute.“ Wichtig sei, auftretende Stresssymptome nicht zu tabuisieren und sich bewusst zu machen, dass mögliche körperliche Reaktionen wie feuchte Hände, Unruhe oder Träume eine „normale Reaktion auf eine unnormale Situation“ sei, wie Ottersbach es ausdrückt. Auch helfe es, die Dinge aufzuschreiben, denn „was man aufschreibt, muss man nicht im Kopf herum tragen“. Je nach Einsatz dauert es kürzer oder länger, die Erlebnisse zu verarbeiten. Nach sechs Wochen sollte sich die Situation normalisiert haben. Und dann, sagt Ottersbach, „gehen die Einsatzkräfte sehr gestärkt aus der Sache heraus.“

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