Rat soll endlich papierlos werden

Ein Beschluss des Stadtrates von 2012 zeigt heute keinen Effekt. Einen neuen Anlauf plant morgen der Hauptausschuss.

Rat soll endlich papierlos werden
Foto: Christoph Kleinau

Neuss. Nie wurde mehr (aus)-gedruckt als heute: Gut 5,5 Millionen Drucke verlassen im Jahr die Hausdruckerei der Stadtverwaltung, 1,6 Millionen Blatt davon werden nur für den Rat und seine Ausschüsse angefertigt. Die Zahl klingt imposant — wenn man sich eine Schlagzeile aus dem Mai 2012 in Erinnerung ruft: „Der Rat wird papierlos“, hieß es damals. Doch keiner der aktuell 68 Stadtverordneten verzichtet auf seine Drucksachen, um nur mit digital aufbereiteten Unterlagen zu arbeiten. Das will Schwarz-Grün nun ändern. Und zwar wirklich.

Hugo Hoff von der Piratenpartei

Für den morgen tagenden Hauptausschuss haben CDU und Grüne einen Antrag gestellt, mit dem sie der ITK Rheinland als Rechenzentrum und IT-Dienstleister der Stadt beziehungsweise der Verwaltung Beine machen wollen. Eine Software, App oder Internetanwendung soll her, mit der die Politiker die Unterlagen nicht nur sichten und lesen, sondern auch bearbeiten, mit Anmerkungen versehen und untereinander austauschen können.

„Das ist kein Hexenwerk und technisch alles möglich“, sagt Thomas Kaumanns (CDU), der als Leiter der Kommission digitale Agenda mit daran arbeitet, immer mehr Angebote und Dienstleistungen der Stadtverwaltung digital nutzbar zu machen. Doch wenn er sich auf eine Sitzung vorbereitet, komt auch er an Papier und Stift nicht vorbei.

Hugo Hoff von der Piratenpartei, die ganze Parteitage online und papierlos gestaltet, hat für das dargestellte Problem noch keine Lösung. Er hätte sie aber gerne: „Ich ertrinke im Papier“, sagt er. Auch Michael Klinkicht (Grüne) muss feststellen: Der Beschluss zum papierlosen Rat aus dem Jahr 2012 hatte keinen Effekt: „Das Ergebnis ist gleich Null“. Die in digitaler Vorfreude angeschafften Tablet-PCs für seine Fraktion würden für alles mögliche genutzt, nicht aber für die Ratsarbeit.

Bürgermeister Reiner Breuer verteidigt den bereits erreichten Standard, der zu Teilen auch der Bevölkerung über das Ratsinformationssystem zur Verfügung steht. „Die technischen Möglichkeiten sind gegeben, auch wenn sie optimierbar sind“, sagt Breuer. Die ITK arbeite zudem schon an einer weitergehenden Computeranwendung, die in Kaarst erprobt werden soll. Für die Politiker ist der anwachsende Berg an Ratsunterlagen ein Ärgernis. Alleine die Papiere für die Ratssitzung im September hätten es auf 2,8 Kilogramm Gewicht gebracht, rechnet Kaumanns vor. Und das für jeden einzelnen Stadtverordneten. Eine Diskussionen über Schriftgrößen, um solche Umfänge abzuschmelzen, hält er angesichts dieser Mengen für unsinnig.

Für die Verwaltung ist der Wust an Papier auch ein Kostenblock — und ein logistisches Problem. Weil viele Dokumente auf den letzten Drücker fertig werden, ist aus Gründen der Fristwahrung keine Postzustellung mehr möglich. Dann werden Boten ausgeschickt, was den Betrag dieses Postens auf rund 25 000 Euro jährlich erhöht.

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