Neuss: Mit 70 Jahren zum Doktortitel

Studienrätin Mathilde Josephs holte ihre Promotion im Ruhestand nach.

Neuss. Promovieren wollte Mathilde Josephs (70) eigentlich schon immer. Doch nach nach ihrem Staatsexamen in Biologie und Mathematik war der Wunsch nach einer Familie und einem geregelten Einkommen größer. "Ich wollte endlich Geld verdienen. Eine Promotion hätte bedeutet, dass ich noch länger mit ein paar hundert Mark im Monat hätte auskommen müssen", erzählt Mathilde Josephs.

Über 35 Jahre arbeitete sie als Lehrerin für Mathematik und Biologie am Friedrich-Spee-Kolleg für Erwachsenenbildung. Mit ihrem Mann Christian(75) bekam sie vier Kinder. Eine glückliche Zeit.

Doch der Traum, in ihrer Paradedisziplin Botanik zu promovieren, ließ sie nie ganz los. Als die Studienrätin vor sechs Jahren pensioniert wurde, nutzte sie die Gelegenheit und schrieb sich an der Universität Düsseldorf ein. "Ich dachte, jetzt bin ich noch munter genug, um das zu machen."

Nach drei Semestern als Promotionshörerin, konnte Mathilde Josephs mit ihrer Arbeit loslegen. "Am Anfang war das schon komisch, im Hörsaal zu sitzen. Aber als ich dann mit meiner Forschung angefangen habe, war ich die meiste Zeit in meinem Arbeitsraum am Institut oder draußen in der Natur." Studiengebühren musste die Rentnerin übrigens nicht zahlen, weil sie bereits ein Studium abgeschlossen hatte.

Erforscht hat Mathilde Josephs das Renaturierungspontenzial eines ehemaligen Niedermoor-Gebiets an der deutsch-niederländischen Grenze bei Gangelt. Die Flächen wurden ab 1930 landwirtschaftlich genutzt und das Moor, das über Jahrtausende enstanden war, trocken gelegt. 2004 wurde die Fläche zum Landschaftschutzgebiet erklärt.

Durch Bodenproben erfuhr Mathilde Josephs, welche Pflanzen zu Zeiten des Niedermoors auf der Fläche wuchsen. "Ich habe die Samen, die noch in der Erde schlummerten, in Töpfe gepflanzt, konnte so bestimmen, welche Arten es damals gegeben hat."

Die Bestimmung der über 500 Pflanzen war übrigens kein Problem. Als Botanikerin der alten Schule kann die Seniorin nahezu alle bekannten Pflanzen erkennen. Gedauert hat die Prozedur trotzdem zwei Jahre. Um die Samen einer bestimmen Zeit zuzuordnen, analysierte sie zudem eineinhalb Jahre Pollen unter dem Mikroskop.

Eine Herausforderung für die Rentnerin war allerdings der Umgang mit dem Computer "Das war eine große Hürde. Ich hatte vorher nur Texte geschrieben. Für die Arbeit brauchte ich Tabellen und Grafiken." Nach fünf Jahren war es dann geschafft. Im Mai reichte Mathilde Josephs ihre 249 Seiten starke Dissertation beim Prüfungsamt ein.

Nach einer mündlichen Prüfung endlich das Ergebnis: magna cum laude (mit großem Lob). "Mein Enkel hat mir als erster gratuliert", sagt die Doktorandin. Am 22. Juli findet in Düsseldorf die Absolventen-Feier statt. "Die sind alle viel jünger als ich", sagt Mathilde Josephs ein wenig stolz.

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