Neuss: Erster Fahrtag mit Tücken

Nach 15 Monaten fährt die Straßenbahn wieder durch die Innenstadt.

Neuss. Die Tröte gibt am Markt den Ton an, übertönt sogar den durchdringenden Baustellenlärm. Doppelton: Die Bahn kommt. Warnsignal für die Bauarbeiter, die direkt neben den Gleisen noch pflastern. Hilfreiche Mahnung auch für die Passanten, die schon fast bahn-entwöhnt sind und während der Bauarbeiten ohnehin ständig von der einen auf die andere Straßenseite geschickt wurden.

Es ist der erste Fahrtag der Linie 709 im Hauptstraßenzug nach 15 Monaten Zwangspause. Noch klappt nicht alles. Die Signalanlage arbeitet dort, wo es eingleisig wird, am Vormittag nicht wie geplant. Streckenposten übernehmen, sprechen mit den Fahrern, geben Signale. Immer wieder stehen Lieferwagen an der Oberstraße auf den Gleisen, am Büchel sind es Baufahrzeuge. Nein, ein ganz normaler Fahrtag ist das nicht.

Aber viele Neusser freuen sich. "Ich bin so froh, dass sie wieder fährt", sagt Behdad Karimi, der mit seiner Familie am Markt wartet. Und Barbara David erklärt energisch, selbstverständlich freue sie sich über die Wiederkehr der 709: "Ich weiß gar nicht, wie man auf die Idee kommen kann, sie hier herauszunehmen. Wir haben doch genug Cafés auf dem Markt."

Günter Arndt blickt erwartungsvoll Richtung Obertor und erinnert an alte Zeiten, als die Bahn nach Grimlinghausen fuhr. Auch Alfred Rohden wartet und betont: "Das wurde aber auch langsam Zeit." Er fahre regelmäßig mit der Bahn zum Einkaufen. Die Eingleisigkeit aber sei ein Rückschritt, der den Betrieb aufhalte. "Damit hat man nur Platz für den Lieferverkehr geschaffen."

Es kommt die nächste Bahn, wieder wird der Posten aktiv, wechselt ein paar Worte mit dem Fahrer. Michael Kluth macht die Strecke zum zweiten Mal. Freie Fahrt Richtung Büchel? Von wegen, vorn steht ein Baufahrzeug auf den Schienen. Also heißt es wieder warten. "Man muss einfach besonders langsam fahren und gelassen bleiben", sagt der Fahrer - gelassen.

Ein wenig anders sieht das Elmar Schmitz, der mit dem Signalhorn die Bauarbeiter warnt. "Das ist hier heute für alle Stress", meint er. Bei der Rheinbahn verweist man darauf, eigentlich hätten die Arbeiten im Hauptstraßenzug beendet sein sollen. "Am 6.April sollte bis auf die Haltestelle Rheinisches Landestheater alles fertig sein, hat uns die Stadt zugesagt", so Heike Schuster. Das hat nicht ganz geklappt. Die Rheinbahn jedenfalls hat gleich noch einen Härtest eingeplant: Sie schickt am ersten Fahrtag Fahrschulen auf die Strecke.

Naturgemäß unterschiedlich fällt die Reaktion bei den Initiativen "Pro Bahn" und "Bahnfrei" aus. "Wir freuen uns!", sagt Ingeborg Arndt. "Wir hoffen, dass sich die Neusser nun wieder gemeinsam auf die Pluspunkte der Innenstadt als Einkaufscenter mit offenem Himmel besinnen." Dazu gehöre auch eine Straßenbahn mit Aus- und Einstieg vor den Geschäften.

Ronald Reuss, "Bahnfrei"-Mitinitiator, stellt einmal mehr klar: "Wir nicht gegen die Straßenbahn. Aber im Hauptstraßenzug soll sie nicht fahren." Für ihn ist es nicht zuletzt "dekadent", die Bahn angesichts hoher Strompreise 800 Meter durch die Innenstadt zu leiten. Und er ist sicher: "In fünf Jahren wird es die nächste Diskussion geben. Jetzt erleben die Fußgänger doch, wie störend die Bahn im Hauptstraßenzug ist."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort