Neuss: Erfahrung fern vom Stundenplan

Schülerinnen des Gymnasiums Marienberg arbeiten im Wohnverbund Vinzenz von Paul mit.

Neuss. Es ist eine andere Erfahrung, eine, die im Schulalltag nicht vorgesehen ist: Schülerinnen des Gymnasiums Marienberg absolvieren in der Jahrgangsstufe 11 drei Wochen lang ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung.

Seit 14 Jahren gibt es das Sozialpraktikum, und inzwischen weiß Karin Loosen vom Betreuungsteam der Schule genau, was die Mädchen erwartet: "Manchmal stoßen die Schülerinnen an ihre Grenzen. Jede kann aber jederzeit sagen: ’Ich möchte nicht’." Es seien aber gerade die komplexeren Situationen, die die Schülerinnen mit Stolz erfüllen, wenn sie sie gemeistert haben. "Ihnen wird viel Verantwortung übertragen. Das ist in der Schule nicht so."

Das kann Anja Budschun (17) bestätigen. Sie hat die erste Woche ihres Praktikums im Haus Barbara beim Wohnverbund Vinzenz von Paul hinter sich und ist begeistert: "Gerade bei den Menschen, die sich anders verhalten und bei denen ich mich früher unwohl gefühlt habe, wenn ich sie im Bus getroffen habe, merke ich: Die sind sehr liebenswürdig", erzählt sie und berichtet von der Freude, die ein geschenkter Luftballon auslöst.

Es sind solche Erfahrungen, die die Einstellungen der Jugendlichen oft grundlegend ändern: "Viele haben erhebliche Bedenken, wenn wir sie in der 10. Klasse mit dem Thema Sozialpraktikum konfrontieren", berichtet Loosen. "Aber hinterher sind die meisten begeistert."

Auch Ramona Schwarznecker(17) hatte am ersten Tag Angst, weil sie nicht wusste, wie sie sich im Umgang mit geistig Behinderten verhalten sollte: "Aber das Gefühl war schon am zweiten Tag ganz weg."

Die Einrichtung Wohnverbund Vinzenz von Paul, die Beratung und Begegnungsangebote für behinderte Menschen anbietet, arbeitet seit vielen Jahren mit dem Gymnasium Marienberg zusammen. Einrichtungsleiter Ulrich Pfeufer sieht in dem Kontakt von Schülern mit Behinderten auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag: "Netzwerke leben vom Leben in ihnen", sagt er und freut sich, dass einige Kontakte zu den Schülern bestehen bleiben.

"Einige engagieren sich weiter ehrenamtlich", bestätigt Karl-Heinrich Bertelmann, der die ambulanten Dienste des Wohnverbunds leitet. "Und manche machen sogar ein Freiwilliges Soziales Jahr bei uns."

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