Neuss: „Schließung ist paradox“

Gute Arbeit, aber bedroht: Betroffene kämpfen für Erhalt ihrer Grundschulen.

Neuss. Die geplante Umstrukturierung der Schullandschaft stößt in vielen Teilen der Bürgerschaft auf Ablehnung. Zwei Grund-, zwei Haupt- und zwei Realschulen sollen geschlossen werden.

Mit Protestaktionen machten am Wochenende die Eltern, Schüler und Lehrer der beiden Grundschulen auf die befürchteten Schließungen aufmerksam.

Wie schon 2006, als die Auflösung der Barbaraschule in letzter Minute verhindert werden konnte, zogen die Betroffenen am Samstag durch die Innenstadt und pfiffen sich mit Trillerpfeifen den Frust von der Seele.

Allen voran Marita Richter, Pädagogische Leiterin der OGS. Sie hält die aktuellen Vorgänge in Neuss für ein "politisches No-Go", wie sie sagt. Das Verhalten und die Vorgehensweise der Verwaltung seien undurchsichtig und nicht durchdacht. "Keiner, der die Schließung unserer Schule befürwortet, hat sich über die fatalen Konsequenzen für die Eltern und Schüler Gedanken gemacht."

Damit meint sie unter anderem den langen und gefährlichen Schulweg, den die Kinder zurücklegen müssten, wenn sie ab dem Schuljahr 2011/2012 die Gemeinschaftsgrundschule "Die Brücke" auf der Neusser Furth besuchen müssten. "Viele Eltern haben aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht die Möglichkeit, ihre Kinder selbst zur Schule zu bringen", sagt Richter.

Außerdem kritisiert Richter die mangelnde Informationspolitik der Schulverwaltung. In der Hand hält sie eine Liste, auf der 23 Kindernamen stehen, allesamt Erstklässler. "Warum ist der Bürgermeister nicht früher mit seinen Plänen an die Öffentlichkeit gegangen?", fragt sie entrüstet. "Die Eltern haben ihre Kinder bei uns angemeldet, weil sie möchten, dass sie im Barbaraviertel zur Schule gehen und nicht fünf Kilometer weiter in eine Schule mit überfüllten Klassen und zu wenig Lehrkräften."

Unter den Protestlern ist auch Petra Ajdarpasic, Mitglied der Schulpflegschaft. Für sie sei die Schließung der Barbaraschule "geradezu paradox". Ihrer Auffassung nach sprechen alle Fakten für den Erhalt der Grundschule: die Anmeldezahlen, die Überfüllung der Grundschule auf der Furth und die gute Arbeit des Personals.

Die Barbaraschule sei in der Vergangenheit mehrfach für ihre pädagogische Arbeit ausgezeichnet worden. Die Zahl der Schüler, die von der Barbaraschule auf ein Gymnasium wechselten, sei der beste Beleg für eine gute Integrationsarbeit. "Die Politiker bemängeln einerseits einen fehlenden Integrationswillen, andererseits nehmen sie den betroffenen Kindern durch die Abschaffung solcher Einrichtungen diese Möglichkeit."

Für Violetta Ferrera wäre die Schließung der Schule eine kleine "Katastrophe". Die alleinerziehende Mutter von drei Töchtern ist vor mehr als 30 Jahren von Portugal nach Deutschland gekommen. Sie fühlt sich wohl im Barbaraviertel. Zwei ihrer drei Töchter besuchen die Grundschule, die Jüngste soll eigentlich im nächsten Jahr folgen.

Violetta Ferrera sieht durch die drohende Schließung nicht nur die Existenz der Schule bedroht, sondern die des ganzen Viertels. "Die Leute werden wegziehen, wenn es die Barbaraschule nicht mehr gibt. Die Politik unterschätzt die Bedeutung der Schule."

Auch in Reuschenberg kämpfen die Betroffenen für den Erhalt ihrer einzügigen Hubertus-Schule. Hunderte haben sich am Wochenende in Unterschriftenlisten eingetragen.

"Wir fühlen uns durch den Zuspruch bestärkt. Dass so viele Mitbürger mit ihrem Namen für die Hubertus-Schule eintreten, zeigt den hohen Identifikationsgrad der Reuschenberger und Selikumer mit ihrer Schule", so der Schulpflegschafts-Vorsitzende Horst Tauwel. Interessierte können sich auf einer neuen Internetseite über die aktuelle Situation informieren.

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