Neuss: „Meine Oma starb für mich“

Charlotte Knobloch spricht vor Jugendlichen.

Neuss. Mit gebannten Blicken schauen die Jugendlichen auf die Frau, die am Ende des großen Saales vor dem Rednerpult steht. Nur selten gibt der Holzboden ein leises Knarzen von sich, auf dem sich die zahlreichen Zuhörer stillschweigend niedergelassen haben. "Ich stehe heute nur deshalb hier, weil meine Großmutter für mich gestorben ist. Sie ließ sich deportieren, damit ich überleben konnte", sagt Charlotte Knobloch, Jahrgang 1932.

Am Mittwoch ist die Präsidentin des Zentralrats der Juden auf Einladung der Telekom nach Neuss gekommen, um im Tagungshotel einen Beitrag zum "Tag der interkulturellen Vielfalt" zu leisten.

"Diesen Tag haben Auszubildende der Telekom organisiert", erklärt Projekt-Koordinator Mounir Labrari und fügt an: "Der Hintergrund ist der, dass wir eine Veranstaltung organisieren wollten, bei der alle Kulturen und Glaubensrichtungen, die unter den Auszubildenen vertreten sind, zusammenkommen."

Und so sind es Fahnen verschiedenster Länder, die auf Plakaten entlang des Tagunsaals gezeigt werden. Russland, Chile, Palästina, Marokko oder Madagascar - an einzelnen Ständen informieren die Auszubildenden über Eigenheiten ihrer Länder, ob in religiöser, kultureller oder kulinarischer Hinsicht.

Da der Tag einen Beitrag für die gegenseitige Akzeptanz verschiedener Kulturen leisten soll, berichtet Knobloch von einem Negativbeispiel. Davon, wie sie in Zeiten des NS-Regimes "mit viel Glück dem braunen Terror entkommen" ist. Davon, wie sie als Sechsjährige die Reichskristallnacht in München erlebte ("Ich sah die Synagoge brennen, Geschäfte von Juden zerstört") und vom Sommer 1942.

"Die Namen von mir und von meiner Großmutter standen schon auf der Deportationsliste." Nur durch das Wohlwollen eines Informanden gelang es, einen der Namen streichen zu können und eine der beiden vor dem Getto zu bewahren. Knobloch: "Meine Großmutter wurde in Theresienstadt ermordet - für mich."

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