Motorradfahrer feiern Gottesdienst

Die Pfarrer Martin Pilz und Olaf Schaper baten zu dem Gottesdienst unter freiem Himmel vor der Lukaskirche in Holzbüttgen.

Motorradfahrer feiern Gottesdienst
Foto: Anja Tinter

Kaarst. Die zum Teil energischen Motorengeräusche von rund 50 Bikes und die Musik der Band „One Black Shirt“ haben gestern Vormittag rund um den Lindenplatz Schluss mit der Sonntagsruhe gemacht. Es ging aber auch beschaulich und nachdenklich zu, denn was dort vor der Lukaskirche gefeiert wurde, war ein Motorrad-Open-Air-Gottesdienst.

Der Kaarster Pfarrer Martin Pilz und sein Düsseldorfer Kollege Olaf Schaper hatten diesen unter das Motto „Good news, bad news, fake news“ gestellt. Dass etliche Plätze auf den Holzbänken frei blieben, lag nicht an mangelnder Resonanz: Gestandene Motorradfahrer zogen es vor, stehen zu bleiben während des knapp einstündigen Gottesdienstes.

Pfarrer Pilz war mit seiner alten Yamaha vorgefahren, Olaf Schaper mit seiner BMW GS 500. „Ich bin mit dem Fahrrad da“, gab indes Kantor Wolfgang Weber zu. Die Gemeinde sang später unter seiner Leitung „Morning has broken“ und „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Pilz ging auf das Thema des Gottesdienstes ein und lobte die Motorradfahrer: „Sie sind Menschen, die ihren eigenen Weg gehen.“ Was er beklagte: Mit Blick auf die sogenannten Fake News — also bewusst verbreitete Falschnachrichten — appellierte er zur Vorsicht. Sein Credo dabei lautete: „Erhalten wir uns auf jeden Fall unsere Vernunft.“

Zu dem außergewöhnlichen Gottesdienst gehörte auch ein Interview mit dem Journalisten Andreas Turnsek. Der gab einige Beispiele für Fake News und nahm den US-Präsidenten Donald Trump ins Visier, dessen Regierungstrupp mit sogenannten alternativen Fakten auffiel. „Trump behauptet, der Klimawandel sei eine chinesische Erfindung“, sagte Turnsek.

Schaper hatte seine Predigt kurzerhand gestrichen. „Ich werde sie online stellen“, versprach der Düsseldorfer Pfarrer, der gerade ein Studiensemester in Berlin absolviert.

Die ersten Gottesdienstbesucher waren schon ganz schön blass vor Kälte geworden, als es noch einmal sehr emotional wurde: Da wurden Fürbitten auf Wunsch einiger Gottesdienstbesucher verlesen wie die von Eltern, deren Sohn sie vor 21 Jahren verlassen hatte und seitdem keinen Kontakt mehr zu ihnen aufgenommen hat. „Dieser Schmerz ist unermesslich“, erfuhren die Menschen auf dem Lindenplatz. Die Biker gedachten auch des jungen Pärchens, das in Neuss mit dem Motorrad gestürzt und tödlich verunglückt war.

Frank Kirsch, Hausmeister im Marienheim-Hospiz, hatte die Tour in die Nordeifel, die auf den Gottesdienst folgte, organisiert. Er lässt es eher gemütlich angehen, nannte aber einen Ansprechpartner für diejenigen, die gerne stärker am Gasgriff drehen. Eine Tourenleiterin war die Schiefbahnerin Margarete Lingen-Zanker — die 60-Jährige ist früher erfolgreich Rennen gefahren.

Wolfgang Zopke aus Kaarst und Ehefrau Bruni zogen einen geruhsamen Sonntag vor, sie fuhren nach dem Gottesdienst nach Hause. „Wir sind am vergangenen Sonntag erst 450 Kilometer gefahren“, erklärte der 59-Jährige. Die anderen Teilnehmer bereiteten sich bei Kaffee und Kuchen auf die gemeinsame Ausfahrt vor.

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