Jörg F.: Familie plant Aktion im Gericht

Im Mai beginnt der Prozess gegen den Onkel des getöteten Jungen. Angehörige wollen Shirts tragen mit der Frage „Warum?“

Neuss. Es könnte voll werden im Raum 1.120 des Düsseldorfer Landgerichts, wenn am Freitag, 18. Mai, um 9.30 Uhr der Prozess um Sven F. beginnt. Jenem 41 Jahre alten Weckhovener, dem vorgeworfen wird, seinen elf Jahre alten Neffen getötet zu haben. Natascha Funke, Mutter des toten Jungen, kündigt an, dass zahlreiche Familienmitglieder und Freunde zum Prozessauftakt vor Ort sein werden. „Sehr viele wollen mitkommen“, sagt die Neusserin.

Für den 18. Mai planen sie zudem eine T-Shirt-Aktion. Darauf zu sehen sein soll ein Foto des toten Jungen und ein „Warum?“-Schriftzug. Das Landgericht habe die Aktion bereits genehmigt, sagt Nebenklägerin Natascha Funke, die ankündigt, bei jedem Prozesstag im Gerichtssaal zu sein. „Ich möchte ihm in die Augen schauen und fragen, warum er das getan hat“, sagt sie über ihren Bruder. Landgerichts-Sprecherin Elisabeth Stöve bestätigte die Terminierung des Prozessauftaktes und gab eine Einschätzung zur geplanten T-Shirt-Aktion: „Wenn auf den Shirts kein strafrechtlicher Inhalt zu sehen ist, habe ich kein Problem damit.“

Seit Anfang Oktober sitzt Sven F. in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in der 29-seitigen Anklageschrift die körperliche Misshandlung seines elf Jahre alten Neffen Jörg, der zu dieser Zeit bei ihm in Weckhoven wohnte, sowie Mord zur Verdeckung einer Straftat vor.

Mit schwersten Verletzungen musste das Opfer am 5. Oktober 2017 in der Wohnung seines Onkels von Rettungskräften reanimiert werden. Dort lebte der Schüler ungefähr zehn Wochen bis es zu dem Vorfall kam. Jörg kämpfte bis zuletzt um sein Leben, am 17. Oktober wurden die lebenserhaltenden Maschinen in der Düsseldorfer Uniklinik abgeschaltet.

Dagmar Loosen, die Anwältin von Sven F., erkennt jedoch kein Mordmerkmal. Sie ordnet den Fall rechtlich als schwere Körperverletzung mit Todesfolge ein. Ihr Mandant sei zwar für den Tod des Jungen verantwortlich, habe ihn aber nicht töten wollen. „Er hat diesen einen Schlag völlig falsch eingeschätzt“, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist immer noch gravierend genug, ich möchte das nicht schön reden.“ Doch im Strafmaß gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen Mord und Körperverletzung mit Todesfolge. Bei Mord sieht das Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Bei schwerer Körperverletzung sind es mindestens drei Jahre. Auf die angekündigte Taktik der Verteidigerin reagiert Natascha Funke mit Unverständnis: „Damit kommt sie nicht durch.“

Zwar spricht Dagmar Loosen von „einem Schlag“. Dieser müsste aber erhebliche Auswirkungen gehabt haben. Denn wie aus der Anklageschrift hervorgeht, wurden an dem Jungen zahlreiche Verletzungen an mehreren Körperstellen festgestellt. Gerüchte, ihr Mandant sei in der Justizvollzugsanstalt Duisburg verprügelt worden, bestreitet die Neusserin: „Er wurde lediglich bedroht.“

Jörg hatte zunächst mit seiner Großmutter beim Onkel gelebt. Als diese ins Krankenhaus kam, begann das Martyrium für ihren Enkel — das tödlich endete. Nach der Tat ließ das Jugendamt die leiblichen Kinder des Verdächtigen auf Verletzungen prüfen. Der Misshandlungs-Verdacht wurde vom Arzt nicht bestätigt. Jörg wurde am 26. Oktober nach bewegender Trauerfeier in der St.-Elisabeth-Kirche auf dem Südfriedhof beigesetzt

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