Großbaustelle: Kritiker werfen Stadt „Schönfärberei“ vor

Beschwerdeführer schildern zahlreiche chaotische Situationen.

Großbaustelle: Kritiker werfen Stadt „Schönfärberei“ vor
Foto: M. Wolf

Neuss. Die Darstellung der Stadt, dass die Großbaustelle an Nordkanal und „An der Obererft“ kein Verkehrschaos zur Folge hat, nennt Reinhold Reipen „Schönfärberei“. Statt Umleitungsregeln, die greifen, beobachtet er Wildwuchs wie Motorradfahrer, die die Baustelle über den Fußgängerweg umfahren. Sein Kritikpunkt ist einer von vielen — und Norbert Jurczyk vom Amt für Verkehrslenkung muss den Beschwerdeführern zum Teil Recht geben. „Ja, das kommt vor“, sagt er zu dem Vorwurf in Richtung der Zweiradfahrer, die den Bürgersteig zur Fahrbahn machen. Das aber sei weder mit baulichen, noch mit technischen Mitteln zu verhindern.

Im Juni hatte die Infrastruktur Neuss (ISN) damit begonnen, die Kanalisation unter der Nordkanalallee zu erneuern und diese auf gut 500 Metern Länge gesperrt. Die Folge ist, dass sich Verkehrsteilnehmer mitunter ihren Weg selbst bahnen. So fiel auf, dass Autofahrer das Nadelöhr Selikumer Straße einfach umgehen, indem sie von der Augustinusstraße geradeaus Richtung Innenstadt fahren und das Durchfahrverbot am Obertor schlicht ignorieren. Andere wiederum wollen den Hinweisen auf die Sperrungen offenbar nicht glauben, sagt Anwohner Markus Wolf, der beobachtet, wie diese Automobilisten in der Straße An der Obererft wirklich bis vor die letzte Absperrbake vorfahren — um dann kompliziert wenden zu müssen.

Dass die Umleitungsregelung der Stadt selbst auch Verkehrssünder „produziert“, ist Michael Rehaag aufgefallen. Wer von der Augustinusstraße nach links Richtung Stadthalle in die Selikumer Straße einbiegen möchte, dürfe dies als Anlieger zwar tun. Doch weil die Linksabbiegerspur entfernt wurde, würden diese Autofahrer durch Baken an der Selikumer Straße in den Gegenverkehr gezwungen.

Dass Lastwagenfahrer mit mehr als 3,5 Tonnen Gewicht in Richtung Hafen verbotswidrig über die Friedrichstraße fahren, wie Karl-Peter Lux moniert, kann Jurczyk vom Amt für Verkehrslenkung aber so nicht stehen lassen. Die Friedrichstraße sei Teil der Umleitung — auch für Lastwagen. Das sei nicht schön, gibt der Verkehrslenker zu, zumal die Friedrichstraße dafür nicht leistungsfähig genug sei.

Die Folgen beobachten Verkehrsteilnehmer wie Reinhold Reipen, vor allem nachmittags. „Kein abfließender Verkehr“, sagt Reipen mit Blick auf Staus an Batterie- und Zollstraße beziehungsweise Europadamm. Auch diese Beobachtung bestätigt Jurczyk. Tagsüber fließe der Verkehr zügig, sagt er, „nachmittags wird es deutlich schwieriger“. Zu leiden hätten vor allem Autofahrer ohne Ortskenntnis.

Zu den Erschwernissen für die Anwohner gehört auch, dass sie sich beim Einkaufen neu orientieren müssen. Die Fahrt von der Straße An der Obererft zum Supermarkt in Meertal sei mit einer Stadtrundfahrt verbunden, sagt Wolf, der sich daher neu orientiert hat. Dafür genießt er aber als Anwohner der gesperrten Straße eine nie gekannte Ruhe.

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