Freisprüche nach blutiger Schießerei

2016 war es an der Hafenstraße zu einem Streit zwischen mehreren Personen gekommen.

Freisprüche nach blutiger Schießerei
Foto: Berns

Neuss. Die blutige Auseinandersetzung vor einem Wettbüro an der Hafenstraße, wo Anfang April des Jahres 2016 Albaner und Türken zum Teil mit Schlagwerkzeugen aufeinander losgegangen waren, ist aufgeklärt, bleibt aber ungesühnt. Die Mauer des Schweigens, die die Beteiligten auch gestern in der Verhandlung vor dem Amtsgericht aufbauten, blieb unüberwindlich. „Es ist nicht aufklärbar, was wirklich passiert ist“, stellte die Richterin nach Stunden fest. Für zwei Angeklagte hieß das am Ende: Freispruch.

Die Kosten des Verfahrens übernimmt die Staatskasse. Ein 45-jähriger Sport- und Fitnesskaufmann aus Neuss darf auch mit einer Haftentschädigung rechnen. Der türkischstämmige Neusser war unter dem Verdacht in Untersuchungshaft genommen worden, an jenem späten Sonntagabend vier Schüsse auf einen heute 40-jährigen albanischen Koch aus Mönchengladbach, der gestern als Nebenkläger auftrat, abgefeuert und ihn am Bein schwer verletzt zu haben. Hat er aber offensichtlich nicht.

Für den Schützen hält die Staatsanwaltschaft seinen heute 30-jährigen Bruder, der in Handschellen vorgeführt wurde. Der Weckhovener sitzt in Essen eine Haftstrafe in anderer Angelegenheit ab. Und da wird er vorerst auch noch bleiben müssen. Weil zwei Zeugen nicht erschienen waren und das Verfahren gegen ihn abgekoppelt und auf den 3. Juli vertagt wurde, hat er vorerst keine Aussichten, in den offenen Strafvollzug wechseln zu können. Obwohl es sein Anwalt dringend machte: „Er geht da zugrunde.“

Obwohl: So zerbrechlich sah der 30-Jährige nicht aus. Wie überhaupt die meisten Männer auf der Anklagebank, im Zeugenstand und im Zuschauerraum nach Kraftathleten aussahen. Nur: Zu sagen hatten sie wenig bis gar nichts. Einzige Ausnahme war der große Bruder des albanischen Kochs, der Angeklagte und Nebenkläger kriminell nannte und von Schutzgeld sprach.

In der Tat ging es bei dem Streit um 25 000 Euro, die sich der Koch von einem 36-jährigen Türken geliehen haben soll — aber nicht zurückzahlte. Dieser Geldgeber saß mit auf der Anklagebank, bestritt aber, den Koch durch Drohungen zur Zahlung gedrängt zu haben. Das wird auch den beiden Neusser Brüdern vorgeworfen. Nur: Nachzuweisen war die vorgeworfene Nötigung keinem der Angeklagten. Deshalb verließ auch der „Geldgeber“ das Gericht unbescholten.

Die Schüsse vor Gericht zu ahnden, hatte die Staatsanwaltschaft schon vor dem gestrigen Termin aufgegeben. Das albanische Opfer hatte sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auf den „Mahnbesuch“ vorbereitet und war nicht weniger aggressiv. Folglich konnte eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden.

Wenn der Prozess gegen den Weckhovener fortgesetzt wird, geht es um den Vorwurf des unerlaubten Waffen- und Munitionsbesitzes. Was übrig bleibt? Die gestern nicht erschienen Zeugen hatten bei der Polizei zu Protokoll gegeben, keine Waffe bei ihm gesehen zu haben.

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