Frauenhaus in Neuss: Hilfe im Schutz der Anonymität

Wer hier lebt, hat Schlimmes durchgemacht und hofft auf ein gewaltfreies Leben. Seit fast 25 Jahren suchen hier Frauen, oft mit ihren Kindern, Schutz vor gewalttätigen Ehemännern, Lebensgefährten.

Neuss. Das Telefon klingelt. Die Anruferin hat die Nummer 150225 in Neuss gewählt und erreicht das Frauenhaus, irgendwo in der Stadt. Es ist ihr zweiter Anruf. Beim ersten Mal hat sie sich erkundigt, wie alles so ablaufen könnte in ihrer Notlage.

Nun ist sie entschieden, will schnell mit ihrem Kind kommen, Zuflucht suchen. Freundlich klärt Annette Winkens noch einige Details, nennt dann den Namen einer Bushaltestelle, dort wird sie die Schutz suchende Frau abholen. Eine neue Bewohnerin kommt in das Haus, das sich rein äußerlich durch nichts von denen in der Nachbarschaft unterscheidet.

Allenfalls die Video-Kamera an der Tür oder die Tatsache, dass kein Name auf dem Schellenschild steht, deutet auf einen Grundsatz der Arbeit in diesem Haus: Anonymität. Seit fast 25 Jahren suchen hier Frauen, oft mit ihren Kindern, Schutz vor gewalttätigen Ehemännern, Lebensgefährten. Wenn sie sich melden, haben sie körperliche Gewalt ausgestanden, immer neue Demütigungen erlebt.

Haus-Leiterin Elke Kroner, die seit 23Jahren mit den Frauen arbeitet, bekennt, dass auch sie nach so vielen Jahren niemals ungerührt ist von dem, was die Frauen ihr erzählen. "Immer wieder hören wir Unfassbares. Und immer wieder sind wir erschüttert über das Ausmaß an Gewalt, das die Frauen erfahren."

Die Diplom-Sozialarbeiterin spricht von einem Drahtseilakt zwischen Professionalität und Sensibilität, und sie strahlt aus, dass sie den beherrscht. "Parteilich mit den Frauen arbeiten": So umschreibt sie die Grundhaltung des Teams im Frauenhaus - es gehe um Hilfe zur Selbsthilfe.

Bis dahin ist es oft ein langer Weg. Es kommen deutsche wie ausländische Frauen, meist 30 bis 40 Jahre alt, sie sind aus Neuss, kommen aber auch von weither, um möglichst viel Distanz zu schaffen. Es sind Frauen unterschiedlichster Herkunft und aus allen Schichten. "Gewalt gegen Frauen zieht sich durch", sagt Elke Kroner nüchtern.

Brigitte Hartmann, Annette Winkens, Monika Christel und sie selbst bieten den Frauen zunächst Ruhe, Schutz und dann psycho-soziale Beratung - auch für die Kinder. Krisenintervention: Dazu gehört auch buchstäblich erste Hilfe mit Geld und Kleidung.

Sind die Kinder schulpflichtig, wird ein Platz organisiert. Behördengänge sind unumgänglich, ein schwieriges Thema bleibt die Anonymität, wenn Väter ihre Kinder sehen wollen. Ohnehin: So wichtig die Anonymität sei, so müssten die Frauen auch erfahren, dass sie sich nicht für den Rest ihres Lebens verstecken können, sagen die Mitarbeiterinnen.

"Der gefährlichste Moment ist die Trennung selbst", weiß Annette Winkens: "Wenn die Männer merken, dass sie Kontrolle und Macht verlieren. Das können die Frauen sehr gut einschätzen."

Eine bunte Gruppe lebt im Frauenhaus. Und keinesfalls herrsche ständig gedrückte Stimmung, sagt Brigitte Hartmann: "Wir feiern hier auch, und wir bekommen viel an Freude und Dankbarkeit zurück. Das gibt neue Kraft."

Zieht eine Bewohnerin aus, wird die Verbindung nicht abgeschnitten. Nachberatung gehört zu den Angeboten des Frauenhaus-Teams. Die gilt natürlich auch, wenn eine Bewohnerin zu ihrem Mann zurückkehrt. "Wir respektieren das. Und die Frau weiß: Sie kann wiederkommen", betont Elke Kroner.

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