Eltern über DJK-Vorstand entsetzt

Mitglieder erfahren die Hintergründe des Vereinsausschlusses zweier Sportlerinnen und eines Trainers.

Eltern über DJK-Vorstand entsetzt
Foto: A. Woitschützke

Neuss. Wutentbrannt stürmt der Mann die Treppe des Vereinsheims der DJK Rheinkraft hinunter. „Das ist eine unerträgliche Beweihräucherung“, schimpft er, „ich habe meine Tochter abgemeldet.“ Unter Applaus. Auf der Ludwig-Wolker-Sportanlage ging es bei der Versammlung der Leichtathletik-Abteilung der DJK Rheinkraft hoch her. 50 Personen waren gekommen, um dort über — so die Tagesordnung — „besondere Vorkommnisse“ zu sprechen. Nach einer Stunde jedoch war schon Schluss. Der zweite Vorsitzende Peter Orth schloss die Versammlung kurzerhand, weil die Stimmung derart aufgeheizt war.

Sichtbarer Höhepunkt war ein Auftritt von Top-Sportlerin Alexandra Selzer: Sie warf die „Manni-Vetten-Trophäe“, die der Verein für besondere Leistungen verleiht, dem Vorstand auf den Tisch, von dem aus sie zu Boden fiel. „Es war die Trophäe von Stabhochspringerin Franziska Heiß, die ich in ihrem Namen zurückgeben soll. Meine folgt noch.“ Ebenso überreichte die 21-Jährige ihre Austrittserklärung. Selzer reagierte damit auf das vom Verein ausgesprochene Hausverbot gegen sie, das Orth zu Beginn noch um den Vereinsausschluss erweitert hatte. Betroffen sind ebenso Isabelle Rhine (24) sowie deren Vater und Trainer Maximilian, dem vor einer Woche vom Vorsitzenden Guido Kluth die Entlassung mitgeteilt worden war. Eine konkrete, gar schriftliche Begründung hat das Trio nicht erhalten. Ihnen wird „Erpressung“ vorgeworfen. Aus Sicht der Betroffenen eine „Retourkutsche“: Die drei erklären, sich nur für ein Mädchen eingesetzt zu haben, das von einem anderen Trainer sexuell belästigt worden sein soll.

Dass dies der Grund für den großen Krach bei der DJK Rheinkraft ist, wurde unmittelbar vor der Versammlung auf dem Parkplatz der Wolker-Anlage mehr als deutlich. Thomas Liebrand, Vater einer jugendlichen Sportlerin, hatte die Mitglieder dort zusammengerufen. Er informierte sie über ein 2015 gegen Zahlung einer Geldstrafe abgeschlossenes Ermittlungsverfahren wegen eines sexuellen Übergriffs gegen einen heute noch tätigen Trainer der DJK. Für die rund 40 Eltern und Sportler war es ein Schock, was sie hörten, zumal sich zwei betroffene Sportlerinnen ganz offen äußerten. Die beiden jungen Frauen zeigten sich entsetzt darüber, wie der Verein mit dem Thema umgegangen ist. Die damals 15 Jahre alte Pia (Name geändert) sagte: „Mir wurde geraten, bei der Polizei nichts zu sagen, um dem Verein und dem Trainer nicht zu schaden. Heute würde ich mich anders verhalten und alles erzählen.“

Die Frau, die sich ihr gegenüber so geäußert haben soll, wurde gestern im Beisein vieler ahnungsloser und völlig überraschter Eltern von Pia gefragt, warum sie dies getan habe. Eine Antwort erhielt sie nicht: „Dazu sage ich nichts. Kein Kommentar.“ Selzer und Rhine waren empört: „Der Trainer hätte sich entschuldigen und seinen Austritt erklären können, aber nichts ist passiert.“ Vielmehr sei der Verein gegen sie und Trainer Maximilian Rhine, die sich gemeinsam um die vom Übergriff betroffene Jugendliche gekümmert hätten, jetzt mit Hausverbot und Ausschluss vorgegangen. Im Gespräch mit dem Vorstand hätten sie gefordert, dass der Trainer, dem die Übergriffe vorgeworfen wurden, keine Trainingsgruppe mehr leiten soll. Anderenfalls würden sie sich an die Öffentlichkeit wenden. Der Verein bewertet das jetzt offenbar als Erpressung.

Wie es weitergeht, ist offen. Zu der auf der Tagesordnung vorgesehenen Wahl eines Abteilungsleiters und Stellvertreters kam es nicht. Alexandra Selzer ist von sich aus ausgetreten und wechselt den Verein. Thomas Liebrand wird seine Tochter so lange nicht mehr zum Training schicken, „ehe nicht Maxi Rhine wieder Trainer ist — egal wo“. Isabelle Rhine will die weitere Entwicklung abwarten — und den schriftlichen Ausschluss.

Vize-Vorsitzender Peter Orth, der zunächst mitgeteilt hatte, er sei über „alles“ informiert, meinte zum Schluss: „Ich habe vieles nicht gewusst.“ Zur Aufklärung der Vorwürfe konnte er, so Teilnehmer der Versammlung, nicht beitragen. Seine Schlussworte: Er wünschte ein „schönes Schützenfest“.

Der Trainer der DJK Rheinkraft, der Auslöser der Diskussion ist, zieht sich dagegen vorerst „aus persönlichen Gründen“ als Bundestrainer des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes zurück. Dies erklärte Petra Brandt, beim DGS Beauftragte für Präventionsarbeit Sexualisierte Gewalt im Sport. Er stehe bei der anstehenden EM der Gehörlosen nicht als Coach zur Verfügung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort