Dormagen: Der „Alte“ und das Grundgesetz

Konrad Adenauer berichtet über seinen Großvater.

Dormagen. Einige der Zuhörer standen unwillkürlich auf, als Norbert Dahmen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU in Dormagen, den Ehrengast des Abends in der Pfarrscheune in Zons ankündigte: "Sehr geehrte Damen und Herren, begrüßen Sie mit uns: Konrad Adenauer!" Tatsächlich war es der auf den gleichen Namen hörende Enkel des "Alten" aus Rhöndorf, des ersten Bundeskanzlers und Grundgesetz-Gestalters. Das Grundgesetz stand dann wegen seines Jubiläums neben Adenauer auch im Mittelpunkt des Abends, zu dem die Union eingeladen hatte.

Peter-Olaf Hoffmann, Bürgermeisterkandidat der CDU, erklärte, dass die Stunde der Unterzeichnung im Museum König vor 60 Jahren in Bonn alles andere als einen modernen Charakterzug getragen habe. "Trotzdem zählt das Grundgesetz zu den modernsten Verfassungen der Welt." Hoffmann hob deren Wehrhaftigkeit hervor, die jeden Bürger aufrufe, die Freiheit mit allen Mitteln zu verteidigen.

Nach diesen Worten hoher Politik wurde Konrad Adenauer persönlicher. Er freue sich, in Zons zu sein. Der Blick aus den Fenstern der Pfarrscheune hinaus in die Gärten lasse bei ihm den Wunsch reifen, sich dort ein Ferienhaus zu kaufen. Ganz und gar unprätentiös berichtete der Kölner Anwalt von seinen Erinnerungen an seinen Großvater und dessen Politik der Westanbindung. "Mein Großvater war in der Kaiserzeit Oberbürgermeister von Köln geworden. Er war in der Weimarer Republik Präsident des preußischen Staatsrats und musste sich vor den Nazis verstecken. Er wusste, was getan werden musste, um neues Leid zu verhindern", berichtete Adenauer und verschwieg, dass sein Großvater 1944 sogar als von den Nazis unschuldig zum Tode Verurteilter im Gefängnis Brauweiler bei Köln gesessen hatte.

Kanzler Adenauer habe gewusst, dass Deutschland "keine Schaukelpolitik" mehr betreiben durfte. So seien etwa das Luxemburger Abkommen 1952 mit Israel, die Aussöhnung und Montanunion mit dem "Erbfeind" Frankreich sowie die Reise nach Moskau 1955 Meilensteine der Außenpolitik Adenauers gewesen. Dabei sei es seinem Großvater nie um das eigene Prestige gegangen. "Es ging ihm immer um die Sache."

Doch auch den Familienmenschen und Patriarchen beschrieb der Enkel. Es habe nie Telefonkontakt oder spontane Besuche in Rhöndorf gegeben. "Aber wenn wir geschrieben haben, kam immer eine Antwort." Und Kriminalromane. Denn der "Alte" liebte Edgar Wallace und Agatha Christie. Den oft zitierten Satz "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern" hat Adenauer so nie gesagt. Er wäre als Bundeskanzler auch unglaubwürdig geworden. Die überlieferte Geschichte: Ein Journalist stellte eines Tages fest, Adenauer habe doch am Vortag noch etwas ganz anderes behauptet. "Sehen se", soll Adenauer entgegnet haben. "Dann bin ich seit jestern eben viel klüger geworden."

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