Das Büdchen, das den Kunden auch Schutzengel verkauft

Martina Cernjavic-Tussing betreibt einen Kiosk an der Rheydter Straße. Ihr Markenzeichen: diverse Engelsfiguren.

Das Büdchen, das den Kunden auch Schutzengel verkauft
Foto: Lothar Berns

Grevenbroich. Auf den ersten Blick etwas Besonderes ist „Martinas freundlicher Kiosk“ an der Rheydter Straße. Er dürfte wohl der einzige Kiosk sein, der im Schaufenster jede Menge große und kleine Engel offeriert. „Der ganze Friedhof in Elsen ist sogar schon voll von unseren Engeln“, sagt Detlef Tussing. Er hilft seiner Frau Martina Cernjavic-Tussing allerdings nur im Kiosk aus. Seit 29 Jahren betreibt die beherzte Deutsch-Slowenin ihr Büdchen und hat damit auch eine lange Zeit als junge Witwe ihre beiden Kinder durchgebracht. Nicht nur die Engel im Fenster, sondern auch unsichtbare Schutzengel hat die 56-jährige mehr als einmal in ihrem Geschäft gehabt: „Ich bin fünfmal überfallen worden, einmal stand ein Täter mit einem Messer im Kiosk. Ein anderer bedrohte mich mit einer Pistole“, berichtet sie.

Doch die tapfere und beherzte Martina konnte bisher alle Räuber verjagen. Mit ihrem Meisterstück machte sie Schlagzeilen, als sie Deutschlands meistgesuchten Räuber in die Flucht schlug — mit einer Wasserflasche: „Ich bin dem Mann mit all’ meiner Wut entgegengetreten.“

Und ausgerechet, als ihr Mann Detlef in einem Gefängnis in Hamburg Elektroarbeiten zu erledigen hatte, war der Schwerverbrecher inzwischen gefasst worden und mit dem Hubschrauber auf dem Weg dorthin. Den Auftrag seiner Frau: „Zeig’ ihm eine Wasserflasche und bestelle schöne Grüße von mir“, konnte er dann aber nicht mehr erfüllen.

Martina Cernjavic-Tussing hat es gelernt, im Leben zu kämpfen. Der Großvater war Deutscher, der, wie es damals hieß, eine Untersteiermarkerin geheiratet hatte. Die Großmutter zog nach der Scheidung mit ihren Kindern ins damalige Jugoslawien, aus dem später auch Slowenien hervor ging.

Martinas Vater kam als Gastarbeiter nach Deutschland zurück, verheiratet war er wiederum mit einer Slowenin. Martina wuchs die ersten fünf Jahre in Slowenien auf, kam dann mit ihren Eltern nach Deutschland, lernte aber mit 19 Jahren einen Slowenen kennen, der ihr nach Deutschland folgte. Zwei Kinder bekam das Paar, ihr erster Mann und ihr Sohn sind früh verstorben. Die Tochter hat wieder einen Slowenen geheiratet, und das erste Enkelkind, die fünf Monate junge Beatrice, lernt gleichzeitig Deutsch und Slowenisch. Die Städtepartnerschaft zwischen Grevenbroich und Celje in Slowenien lebt Martinas Familie schon seit Generationen. Wenn Martinas deutscher Ehemann in drei Jahren in Rente geht, will sie ihren Kiosk verkaufen und mit ihm für immer nach Slowenien ziehen: „Dann muss er Slowenisch lernen, ich hab ja auch Deutsch gelernt“, sagt sie. Und Detlef Tussing stimmt ihr zu. Vor allem freut sich das Paar, dann mehr Zeit für sich zu haben. „Martinas freundlicher Kiosk“ hat nämlich auch an den Wochenenden von 5.30 bis 22 Uhr geöffnet: „Früher hatte ich sogar bis 23.30 Uhr auf“, sagt sie. Detlef Tussing verrät: „Für unsere Hochzeitsreise an die Nordsee hatten wir nur ein Wochenende.“

Martina weiß aber auch, dass sie viele Stammkunden vermissen werden: „Einer kommt sogar aus Bergheim. Er deckt sich hier alle zwei Wochen mit einem Vorrat an Süßigkeiten ein. Die Erwachsenen wissen, dass wir noch die Süßigkeiten haben, die sie aus ihrer Kindheit kennen“, erzählt Martina, deren Wohnzimmer unmittelbar an das Lädchen grenzt: Da haben früher ihre Kinder Hausaufgaben gemacht und sie hat ihnen vom Kiosk aus die Vokabeln abgefragt.

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