Boxen für mehr Perspektive

Beim „Gentlemen-Boxen“ können sich Jugendliche abreagieren — und finden Ansprechpartner für ihre Zukunft.

Kaarst. Boxen und unternehmerische Interessen — passt das zusammen? Sehr gut sogar, meint der Kaarster Gino Blanco. 2010 startete der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann das Projekt „Gentlemen-Boxen“. Die Idee dahinter: Jungen Menschen aus schwierigen familiären Verhältnissen bei einem Anti-Aggressionstraining Disziplin, Durchhaltevermögen, Fairness und Teamfähigkeit zu vermitteln. Mittlerweile hat sich das ehrenamtliche Projekt weiterentwickelt. Unter dem Motto „Talent trifft Management 4.0“ hat der 45-Jährige mit engagierten Mitstreitern einen Verein gegründet. Ihr Ziel: durch Kooperation mit regionalen Unternehmen junge Menschen, die schwierige Startbedingungen und kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, in Praktika oder Ausbildungsplätze zu vermitteln.

Etwa 85 Kinder und Jugendliche habe er bislang begleitet, sagt Blanco. „Bis auf einen Jungen haben alle einen Migrationshintergrund“, erzählt er. „Ihre Familienverhältnisse sind sehr problematisch. Die jungen Menschen sind vernachlässigt, leben viel auf der Straße, haben oft schlechte oder gar keine Abschlusszeugnisse.“ Wie schwierig dann ein Start ins Berufsleben ist, weiß Blanco aus eigener Erfahrung.

Der in Düsseldorf geborene Sohn einer Holländerin und eines Italieners verbrachte den Großteil seiner Kindheit auf der Straße. „Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war. Mein Vater war Fabrikarbeiter, voll berufstätig und konnte sich kaum um mich kümmern. Da war ich dann auf der Straße, zog mit anderen rum, wollte cool sein.“ Als er mit 14 Jahren zum Thai-Boxen kam, änderte sich vieles. Er lernte zu kämpfen, mit Sieg und Niederlage umzugehen, aber auch, wie wichtig Disziplin, Respekt und Fairplay sind.

Für Gino Blanco, der später den Thaibox-Trainerschein gemacht hat, ist das Konzept „Weg von der Straße, rauf auf die Matte“ aufgegangen: Nach der Schule wurde er Groß- und Außenhandelskaufmann, arbeitete bei Xerox, Dell, Pelikan, absolvierte nebenberuflich sein Wirtschaftsdiplom Betriebswirt und war zuletzt als Vertriebsleiter in der Druckindustrie tätig.

Ehrenamtlich unterstützt der verheiratete Vater von zwei kleinen Kindern seit nunmehr acht Jahren Jugendliche aus problematischen Verhältnissen. Während des Trainings, das von zwei Mentoren begleitet wird, berät er die Jugendlichen, dreht Bewerbungsvideos mit ihnen, vereinbart Termine mit Unternehmen für Bewerbungsgespräche. „Ich verstehe mich als Schnittstelle zwischen der Jugend und der Industrie“, sagt Blanco.

Einige Unternehmen hat er bereits als Unterstützer gewonnen. Darunter den Bauunternehmer Moschek aus Willich sowie den Personaldienstleister „head for work“ aus Düsseldorf. „Ich hoffe, noch viel mehr Unternehmer für dieses Projekt begeistern zu können“, so Blanco. „Vor allem suchen wir Betriebe, die bereit sind, auch Jugendlichen mit schlechten Noten eine Chance zu geben.“

Für beide Seiten könne das ein Gewinn sein, so Blanco: Die Jugendlichen hätten gelernt, immer noch ein bisschen mehr zu kämpfen als andere, um sich in schwierigen Situationen durchzusetzen. Und die Unternehmen können durch die persönliche Begleitung sicher sein, passende Kandidaten zu finden. „Was passiert sonst, wenn wir uns nicht um diese Jugendlichen kümmern?“, fragt Blanco und liefert selbst die Antwort: „Sie stürzen ab — in Kriminalität oder Drogen.“

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