Strümp: Erinnerungen an unfassbares Leid

In einem Projekt mit dem Heimatkreis Lank befragten Schüler des Meerbusch-Gymnasiums Zeitzeugen.

Strümp. Zwischen den Zeilen ist von unsagbaren Tragödien die Rede. Eine Frau wurde 20 Mal von Soldaten vergewaltigt, ein Junge entging nur durch das Mitleid eines Rotarmisten der Erschießung-während der Rest der Familie sterben musste. Doch alle fanden in Meerbusch ein neues Zuhause.

Den Erlebnissen der in Bösinghoven und Lank lebenden Vertriebenen aus Böhmen, Schlesien, Pommern und dem Sudetenland hat sich die von Lehrer Jürgen Hengst geleitete Klasse 9 des Meerbusch-Gymnasiums in einem Projekt gewidmet.

Jeweils zu zweit zogen die Jugendlichen los, um die älteren Menschen zu befragen. Nicht nur nach ihren Erlebnissen auf der Flucht, sondern auch, wie sich ihr Neuanfang in den 40er Jahren in der späteren Bundesrepublik gestaltete. Im Anschluss wurden die Erlebnisse in Berichten von jeweils ein bis zwei Seiten niedergeschrieben.

Entstanden ist die Idee im Heimatkreis Lank. "Wir wollen auf diese Weise auch das Interesse junger Leute an aktiver Geschichtsforschung wecken", erklärt Initiator Peter Dohms, im Heimatkreis Beiratsmitglied. "Denn Geschichte, das sind nicht nur Denkmäler, Kriege und Schlachten, Geschichte ist auch das, was die ganz normalen Leute erlebt haben."

Mitunter haben die Schüler bei den Gesprächen Erfahrungen gemacht, die sie tief beeindruckten. "Wir haben mit einer Frau gesprochen, die nach dem Krieg in der Schule kein Deutsch sprechen durfte. Es war lediglich Tschechisch erlaubt. Das ist nur schwer vorstellbar, dass es in der Öffentlichkeit nicht gestattet ist, die eigene Muttersprache zu sprechen", berichtet René Rökendt.

Dohms räumt ein, dass bei der Durchsicht der Berichte mitunter auch ein geschlagener Historiker eigene Auffassungen ändern musste: "Die russischen Soldaten kommen quer durch die Bank besser weg, als die Polen, die teilweise in ein sehr negatives Bild gerückt werden", erklärt er.

Da sei von warmherzigen, und verständnisvollen Russen die Rede, während andere Soldaten oft als kalt und unbarmherzig geschildert würden. So manches Mal stießen die Schüler auch auf Schweigen. "Eine Frau hatte sich einen Zettel mit Stichworten gemacht über das, was sie uns erzählen wollte", erinnert sich Marie Elberskirch. "Der Mann aber hat lieber geschwiegen."

Auf die Frage ihres Lehrers, ob sie sich denn selbst in die Lage der Vertriebenen versetzen und vorstellen könnten, innerhalb von einer halben Stunde die Sachen zu packen und ihre Heimat für immer zu verlassen, herrscht betretenes Schweigen bei den Schülern. "Die Willkür, der die Menschen damals ausgesetzt waren, ist heute nur noch schwer vorzustellen", meint Tim Kroppen.

Georg Neuhausen, ebenfalls Mitglied im Heimatkreis, mahnte, dass die Zeit eilt: "Wir müssen diese Erinnerungen bewahren. Denn es gibt immer weniger Menschen, die uns berichten können."

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