NS-Vergangenheit: Historiker fällen kein Urteil über Bürgermeister Recken

Detailreiche Datensammlung vorgelegt.

Meerbusch. Zwei Stunden lang trugen Stadtarchivar Michael Regenbrecht und die Vorsitzenden des Meerbuscher Geschichtsvereins, Paul Hoffman und Robert Rameil, am Donnerstagabend im Hauptausschuss vor, was sie über den ehemaligen Bürgermeister Hugo Recken und seine Verstrickung in den Nationalsozialismus in unterschiedlichsten Archiven zutage gefördert hatten. Und das war erst der Anfang.

Die Verlegung von Stolpersteinen in Osterath hatte vor einem Jahr den Anlass gegeben, sich der Frage zu widmen, ob Recken ein Nazi war oder nicht. „Wir werden das Ergebnis publizieren“, kündigte Hoffmann Freitag an.

In der Sitzung wurde deutlich: Eine intensive Beschäftigung mit den Unterlagen wird für die Meerbuscher Politiker vonnöten sein, um ein Urteil über das Zentrumsmitglied und den überzeugten Katholiken Recken zu fällen.

Der Mann habe sich der Verwaltungslaufbahn verschrieben und für seine Existenzsicherung unter der Herrschaft der Nationalsozialisten keine andere Chance gesehen, als in die NSDAP einzutreten. Nicht aus tiefer Überzeugung sei Recken Parteimitglied geworden, sondern aus Opportunismus, urteilte Stadtarchivar Michael Regenbrecht. Reibereien mit der Partei seien an der Tagesordnung gewesen, „Anpassung, Konformität und Pflichtgefühl“ hätten aber den Alltag geprägt. Für Regenbrecht war Recken „eine tragische Figur“. „Hugo Recken war kein aktiver Widerstandskämpfer, aber er versuchte, seine Möglichkeiten als Bürgermeister zu nutzen, um individuell zu helfen.“

Paul Hoffmann beschäftigte sich intensiv mit der bedrückenden, oft dramatischen Lebenssituation der Gutmanns. Er ordnete ihre Vorwürfe gegen Recken („Besonders in der Judenfrage war er unerbittlich“) ein. Hoffmann arbeitete heraus, in welchem Zusammenhang man Reckens vielzitierte Notiz „Um Abschiebung wird gebeten“, die das Schicksal der Familie Gutmann besiegelte, sehen könne. In Anbetracht der damaligen hierarchischen Strukturen kam der ehemalige Staatsarchivar Hoffmann an diesem Punkt zu der Einschätzung, dass Recken keinerlei Weisungsbefugnisse für die Gestapo gehabt habe und „wohl auch getäuscht wurde“, was den vorgesehenen Weitertransport von Krefeld nach Theresienstadt betraf.

Robert Rameil, der Reckens Entnazifizierungsprozess darstellte, fasste schließlich zusammen, dass es viele entlastende, aber auch sehr viele belastende Schreiben zu Hugo Recken gebe. Einer abschließenden Bewertung verweigerten sich die drei Historiker zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Manches müsse noch untersucht werden.

Im kommenden Jahr soll die Diskussion fortgesetzt werden.

“ Korrekt: Julius Gutmann ist nicht im KZ Theresienstadt gestorben, wie Freitag irrtümlich berichtet, sondern 1948 in Osterath.

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