Freund des Ertrunkenen will für ein Begräbnis in Heimat sorgen

Dawud Musakhail möchte den Wunsch der Eltern realisieren, dass Hakim Rizaie in Afghanistan bestattet wird.

Freund des Ertrunkenen will für ein Begräbnis in Heimat sorgen
Foto: Lammertz

Es ist der letzte Freundschaftsdienst: Dawud Musakhail, enger Freund des 18-jährigen Afghanen, der im Rhein bei Nierst ertrunken ist, hat vom Schicksal seines Freundes berichtet. Sein Name war Hakim Rizaie. Dawud musste mitansehen, wie sein Freund im Rhein verschwand, und berichtet nun, dass Rizaies Eltern den Wunsch haben, ihn in Afghanistan zu beerdigen. Es gibt in Krefeld einen Kreis von Unterstützern, die die Finanzierung stemmen möchten.

Dawud Musakhail

Rizaies Geschichte ist die von einem, der aus einer Heimat floh, die ihm keine Heimat mehr bot. Er wollte ein sicheres Leben finden — und ertrank in einem Fluss, dessen Tücken er nicht kannte. Hakim hat eine Schwester und zwei Brüder, seine Eltern leben in Afghanistan.

Musakhail ist 28 Jahre alt. Er war mit Hakim in der Flüchtlingsunterkunft Glockenspitzhalle untergebracht; beide Betten standen nebeneinander. Musakhail hat mittlerweile die Schlafstelle gewechselt, berichtet er; er ertrug es nicht länger, neben dem Platz zu sein, an dem er Hakim zu sehen gewohnt war. „Ich habe ihn dauernd vor mir gesehen.“

An jenem verhängnisvollen Tag brachen Musakhail und Rizaie mit fünf anderen Flüchtlingen bei schönstem Wetter zu einem Fahrradausflug auf; eine willkommene Abwechslung zu der Eintönigkeit in der Halle. Vier aus der Gruppe, darunter Rizaie, beschlossen, in Nierst im Fluss zu baden. Musakhail gehörte nicht dazu: „Ich kann nicht schwimmen, ich habe Angst vor Wasser“, sagt er auf Deutsch — für jemanden, der seit ein paar Monaten Deutsch lernt, in sehr gutem Deutsch. Rizaie war zufällig am weitesten draußen, als plötzlich Strudel und Strömung nach ihm griffen. Er winkte, rief um Hilfe und wurde abgetrieben. Die anderen konnten ihn nicht mehr erreichen, berichtet Musakhail. Er selbst lief, winkte, rief, um Hilfe zu holen. In seinem Handy hat er ein Foto von Hakim Rizaie; der 18-Jährige sieht sehr jung aus, mehr Junge als Mann.

Rizaies Weg führte ihn über mehrere Stationen nach Deutschland. Die Taliban, Krieg, Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit — das sind die Ursachen für den Aufbruch aus Afghanistan. „Er hat erst im Iran in einem Steinbruch gearbeitet“, berichtet Musakhail. Dann ging es über die Türkei nach Deutschland. Rizaie und Musakhail haben sich in einem Auffanglager in Ahlen kennengelernt, ehe es nach Krefeld ging. Musakhail berichtet auch von dem Leben in der Halle: „Ich nehme manchmal Schlaftabletten“, sagt er. Die Probleme sind bekannt: Enge, Mangel an Privatsphäre, vor allem: verurteilt sein zum Nichtstun.

Dawud Musakhail

„So lange Flüchtlinge noch keine Anhörung hatten und keine Statuserklärung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben, dürfen sie keinen Integrationskurs besuchen“, berichtet Roland Lang. Er gehört zum Krefelder Lionsclub Gelduba. Der engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und ermöglicht Sprachkurse für Flüchtlinge ohne „Status“, indem Mitglieder Sprachunterricht geben. Musakhail ist seit acht Monaten in Deutschland; er ist registriert und wartet noch auf einen Anhörungstermin beim BAMF. Er hat einen dieser Kurse besucht. In Afghanistan war er Schneider, berichtet er. Er ist in Sarobi nahe Kabul geboren; seine Eltern hatten ein Tuchgeschäft. Doch die Lage wurde schlimmer; seine Eltern sind vor einigen Jahren nach Pakistan ausgewandert, weil es für sie in Afghanistan immer beängstigender wurde. Musakhail harrte noch in seiner Heimatstadt aus, bis auch er die Flucht ergriff. Die Flüchtlinge in Krefeld werden nun über die Gefahren des Rheins informiert. „Wir haben auch Flüsse in Afghanistan“, sagt Dawud Musakhail, „aber keiner ist so gefährlich wie der Rhein.“

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