E-Mail-Affäre erschüttert Stadtrat

Vom Computer eines Ratsmitglieds aus wurden diffamierende Nachrichten an die Vorgesetzten verschickt.

Kurz vor Weihnachten erschüttert den Meerbuscher Stadtrat eine unschöne E-Mail-Affäre. Dabei geht es um diffamierende Nachrichten, die — so viel steht fest — vom Computer eines Ratsmitglieds aus verschickt wurden, um mögliche Einschüchterungs- und Einflussnahmeversuche sowie die Frage, wie sich das Ganze auf die künftige Zusammenarbeit im Stadtrat und das Ansehen der „Politik“ auswirkt. Aber der Reihe nach.

Die Nachricht, die Ratsherr Wolfgang Müller, bis zu diesem Zeitpunkt Mitglied einer Zwei-Personen-Fraktionsgemeinschaft im Meerbuscher Stadtrat, am 2. Dezember an seinen Fraktionskollegen sowie in Kopie an Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage, alle übrigen Fraktionsvorsitzenden und die Presse verschickt, ist kurz gefasst: „Hiermit sehe ich mich genötigt, dich davon in Kenntnis zu setzen, dass ich mit sofortiger Wirkung die Fraktionsgemeinschaft mit dir beende“, heißt es darin.

Hinter den Zeilen steckt viel Emotion. „Diese Entscheidung hat mich ungeheuer mitgenommen“, sagt Wolfgang Müller. „Aber es gibt nun einmal Situationen im Leben, in denen man konsequent sein muss.“ In diesem Fall stellt sich die Situation wie folgt dar: Das Ratsmitglied, dem Wolfgang Müller am 2. Dezember die Zusammenarbeit aufkündigt, war vorher Vorsitzender einer anderen Ratsfraktion. 2015 tritt er aus dieser aus und agiert zunächst als Einzelratsmitglied, bis er sich mit Müller zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließt. Dann, ab Ende März dieses Jahres, erhalten plötzlich die Arbeitgeber dreier ehemaliger Fraktionskollegen des von Müller Angeschriebenen E-Mails. Der Tenor: unter der Gürtellinie. Unter anderem heißt es darin, die Kommunalpolitiker nutzten ihre Positionen im Rat für Entscheidungen gegen ihre Arbeitgeber aus. Die Unternehmenschefs sprechen ihre Angestellten auf die Nachrichten an. Zwei der Betroffenen erstatten daraufhin Strafanzeige wegen Verleumdung — zunächst gegen Unbekannt.

Werner Damblon, CDU

Die Ermittlungen ergeben, dass die E-Mails vom Computer des ehemaligen Fraktionskollegen verschickt wurden. Der Beschuldigte streitet allerdings ab, der Verfasser zu sein.

Sein Computer, sagt der Ratsherr, sei zur Tatzeit nicht passwortgeschützt und grundsätzlich weiteren Personen zugänglich gewesen. Aus Mangel an eindeutigen Beweisen stellt die Staatsanwaltschaft das erste Ermittlungsverfahren daraufhin ein.

„Allein aus der Anschlussinhaberschaft kann zumindest nicht mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit auf den Verfasser einzelner E-Mails geschlossen werden“, sagt Staatsanwalt Christoph Kumpa. „Man weiß eben nicht, wer auf die Tastatur gedrückt hat.“ Und: Die zeitlich später erstattete zweite Strafanzeige liege der Staatsanwaltschaft derzeit noch nicht vor. Deshalb ist jetzt die Politik am Zug. In einer nichtöffentlichen Ältestenratssitzung haben die Betroffenen in der vergangenen Woche die Bürgermeisterin und die Fraktionsvorsitzenden über die Vorfälle informiert.

Diese reagierten geschockt. „Die ganze Sache ist ungeheuerlich“, sagt FDP-Fraktionschef Klaus Rettig. „Ich würde denjenigen, der diese E-Mails geschrieben hat, auffordern, sein Ratsmandat niederzulegen — so er denn eines innehat.“

Jürgen Peters, Fraktionschef der Meerbuscher Grünen, ist zurückhaltend und verweist auf eine für kommenden Donnerstag angesetzte zweite Sitzung des Ältestenrats: „Wir wollen fraktionsübergreifend eine gemeinsame Lösung finden“, sagt er. „Auch, wenn ich persönlich eine eindeutige Meinung zu den Vorgängen habe.“

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion Werner Damblon formuliert es deutlicher: „Diese Geschichte hat uns alle sehr getroffen“, sagt er. „Wenn die Vorwürfe der Wahrheit entsprechen, dann ist das ein Eingriff in das freie Verhalten von Ratsleuten — und damit ein Angriff auf den Stadtrat als Institution.“

Der jetzt im Fokus stehende Ratsherr war für eine Stellungnahme gestern nicht mehr zu erreichen. Wolfgang Müller will nun im Rat aber erst einmal alleine weiterarbeiten müssen. „Wir stehen im Fokus der Öffentlichkeit“, sagt er. „Da muss einfach Vertrauen da sein“, sagt er.

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