Auf Therapieplan steht auch Lernen

Kinder der Neuropädiatrie besuchen in der Mauritius-Klinik eine eigene Schule.

Osterath. Greta hat drei Wünsche zu Weihnachten: Endlich nach Hause zu kommen, eine Wii und wieder laufen zu können. Doch Greta ist auch klug und weiß, dass sie sich in Geduld üben muss. Seit vier Monaten ist die Elfjährige in der Osterather St. Mauritius-Therapieklinik, „und da werden wohl leider auch noch ein paar Monate dazukommen“, weiß Mutter Petra Förster. Immerhin: Über die Feiertage darf ihre Tochter zum ersten Mal nach Hause.

„Und mit dem Laufen, das klappt ganz bestimmt auch irgendwann. Greta hat in den vergangenen Wochen schon enorme Fortschritte gemacht. Und die Wii — mal sehen“, erzählt Förster. Die Geschäftsfrau aus Brühl wohnt bei ihrer Tochter in der Klinik und versucht ihre Arbeit zumindest teilweise per Laptop zu erledigen. Auch Greta wird es bei ihrem Aufenthalt in der Therapieklinik bestimmt nicht langweilig, denn neben den vielen Reha-Maßnahmen geht sie in die Schule — in die Schule für Kranke.

Täglich kommt sie zu Heike Horlacher in den Unterricht. „Wir haben vorsichtig angefangen, zweimal eine halbe Stunde am Tag, später soll das Pensum gesteigert werden“, sagt die Förderschullehrerin. „Priorität haben die Therapien, aber das Geistige darf nicht vernachlässigt werden. Die Kinder sind zumeist viele Monate in der Klinik und sollen im Optimalfall später wieder in ihre alte Klasse zurückkehren“, erläutert die Pädagogin.

Zwischen 30 und 36 Schüler unterrichtet das kleine Kollegium mit vier Förderschullehrerinnen in Osterath in der Regel, notfalls auch direkt am Bett eines der jungen Patienten. Die Altersdifferenz ist oft enorm, noch größer sind zumeist aber die gesundheitlichen Voraussetzungen der Kinder. „Wir haben körperlich wie geistig Schwerstbehinderte, aber auch absolute Überflieger“, erzählt Horlacher. Eine Gruppe hat daher maximal vier Schüler.

Darüber hinaus gelte es genau darauf zu achten, ob die Kinder viel Hilfe benötigen würden oder derart leistungsfähig und motiviert seien, dass zu viel Anleitung sie eher hemme. „Frisch Operierte können anfangs ganz wenig. Wenn dann zum Beispiel noch eine Chemotherapie dazukommt, ist die Motivation, zu lernen, mitunter minimal“, berichtet Horlacher. Wenn der Körper aber Fortschritte mache und der Kopf sich neu ordne, dann steige auch die Lust, sich wieder geistig zu beschäftigen.

Wichtig für die Lehrerin ist es zum einen, den Kontakt zur alten Schule des Patienten aufrechtzuerhalten, aber auch den Austausch mit den Ärzten und Therapeuten innerhalb der Klinik zu suchen. „Hier ist alles miteinander verzahnt, nur so können optimale Ergebnisse im Sinne des Kindes erzielt werden“, sagt Horlacher.

Leichter hätte sie es mit jungen Kindern, die sich zum Teil überraschend schnell mit ihrer ungewohnten Situation abfinden und schnell neuen Mut schöpfen könnten. „Viel schwerer wird es, wenn die Pubertät eingesetzt hat. Dann ist die Krankheit präsenter und man grübelt über die Zukunft nach. Da kann es dann auch mal passieren, dass der Patient den Kopf in den Sand steckt und niemanden mehr an sich heranlässt“, so die Pädagogin.

Greta befindet sich nach einem Schädel-Hirntrauma inzwischen auf einem guten Weg. „Sie ist ein Kämpfertyp, war mehrere Monate quasi gelähmt, jetzt klappt vieles wieder“, sagt die Mutter, die ihr Leben im Augenblick ganz dem Wohl ihres Kindes unterordnet. Heike Horlacher ist ebenfalls optimistisch: „Greta schafft das schon.“ Mit 98 Prozent ihrer Schüler sei es in den vergangenen zehn Jahren im Verlauf des Klink-Aufenthalts wieder aufwärts gegangen. Und die anderen zwei Prozent? „Das ist die Kehrseite der Medaille. Der Tod gehört auch dazu.“

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