Alice Wiegands: für Wikimedia weltweit unterwegs

Kommunikation und Verständigung sind Alice Wiegands große Themen.

Meerbusch. Dem Bürgermeister nach 100 Tagen im Amt auf den Zahn zu fühlen, ist üblich. Dies bei seiner Referentin zu tun, nicht. Bei Alice Wiegand bietet es sich an: Sie ist seit rund drei Monaten für viele Anrufer im Rathaus erste Gesprächspartnerin. Und sie ist seit Juli Vorstandsmitglied der weltweit agierenden Wikimedia Foundation.

Seit 1996 arbeitet die heute 46-jährige IT-Expertin in der Stadtverwaltung, lange in der Systemadministration, später stärker konzeptionell. Bekannte Gewässer verlassen und „sehr freiwillig in frisches Wasser springen“, das habe sie mit der Übernahme der neuen Aufgabe getan.

„Jeden Tag kommt irgendetwas, das meine Neugier weckt, und mit dem ich noch nie zu tun hatte.“ Das gefällt ihr. Im Hintergrund dem Bürgermeister zuarbeiten, das Ideen- und Beschwerdemanagement, Sitzungsvorbereitung und Protokollführung sind ihre Aufgaben.

Was sich in ihrem Arbeitsalltag radikal verändert hat, formuliert sie mit einem Lächeln: „Ich wusste zwar, es gibt Bürger in Meerbusch, aber für meine IT-Arbeit war das nicht wichtig.“ Jetzt nimmt sie Anrufer und ihre Anliegen an, vermittelt, fängt Ärger auf. „Mich hat überrascht, wie viele sehr wütende Anrufer es gibt“, sagt Alice Wiegand.

„Aber das Ergebnis der Gespräche war immer gut.“ Ihr gefällt, dass Menschen sich in allen Lebenslagen ans Rathaus wenden. „Wir sind für sie da, gerade wenn die Emotionen hochkochen.“

Kommunikation und Verständigung — das sind Wiegands Themen. Darum bemüht sie sich als Referentin angesichts eines toten Vogels auf dem Bürgersteig mit ebensolcher Selbstverständlichkeit wie als Vorstandsmitglied der weltweit agierenden Wikimedia-Stiftung.

Die vergebliche Suche nach Informationen über einen belgischen Künstler führte Alice Wiegand 2004 zu Wikipedia. Diese Netz-Enzyklopädie des gesammelten Wissens aller Nutzer kannte den Mann nicht. Also füllte Wiegand die Lücke — schrieb und blieb. „Es gibt noch viele Lücken.“ 2008 bis 2011 beschäftigte sie sich als stellvertretende Vorsitzende von Wikimedia Deutschland mit strategischen Fragen.

Das Prinzip von Wikipedia ist einfach: Jeder kann einen Beitrag schreiben, verändern oder ergänzen. Die Masse der Nutzer kontrolliert die Richtigkeit. „Während der Schulzeit ist morgens der Anteil von Quatsch höher“, sagt Wiegand schmunzelnd. Meist dauere es nur Sekunden, bis solch ein Unsinn wieder verschwunden sei.

Die etwa 40 nationalen Organisationen haben Wiegand im vergangenen Monat mit einem zweijährigen Mandat in den zehnköpfigen Vorstand der Wikimedia Foundation geschickt, in der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales geborenes Mitglied ist.

Gemeinsam kontrollieren und beaufsichtigen sie die US-amerikanische Stiftung, die in diesem Jahr erstmals 46 Millionen Dollar einnehmen und weltweit verteilen will. Auch an dieser Stelle geht es Wiegand um Strategien und Konzepte: „Wie kommt es, dass nur neun Prozent der Autoren weiblich sind und hat das Auswirkungen auf die Inhalte?“, fragt sie beispielsweise.

„Ich bin fasziniert von dem Schatz an Wissen, der durch Freiwillige zustande kommt“, sagt Alice Wiegand. Wissen kostenlos und für alle zugänglich zu machen, um Menschen eine unabhängige Entscheidung zu ermöglichen — das ist ihr Anliegen.

Auf etwa acht Stunden wöchentlich taxiert sie den zeitlichen Einsatz für ihr Hobby — vorsichtig, und wenn nicht wie gerade im Juli eine Sitzung in New York oder San Francisco Urlaubstage frisst. „Aber es ist nicht so, dass ich kein Sonnenlicht abbekomme und nur vor dem Rechner sitze“, betont Alice Wiegand.

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