Eine liebenswerte Kleinstadt

Über 60 Prozent der Meerbuscher sehen ihre Heimatstadt als eigenständig an.

Meerbusch. Die 1970 geschaffene Stadt Meerbusch entstammt buchstäblich der Retorte oder ist - besser ausgedrückt - ein Kind der kommunalen Gebietsreform in NRW, die Mitte der 60er Jahre eingeleitet wurde.

Nicht wenige betrachteten den Zusammenschluss der acht Gemeinden damals schnell als Betriebsunfall - etwa der Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes - den es rückgängig zu machen galt.

Die Widersacher saßen natürlich vor allem in Düsseldorf und Krefeld, beide Großstädte wollten den Kuchen nur zu gerne unter sich aufteilen. Doch Meerbusch wehrte sich. 1974 wurde das Komitee "Ja zu Meerbusch" gegründet, unter anderem mit Herbert Jacobs, der sich heute für Haus Meer einsetzt, und der ehemaligen Musikschulleiterin Ingrid Kuntze.

Es gelang, die Bürger zu mobilisieren, zu einer Großkundgebung auf dem Franz-Schütz-Platz in Büderich kamen 3000 Menschen, darunter die Bundestagspräsidentin Annemarie Renger sowie der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose, beides glühende Befürworter eines Erhalts.

Dennoch: 1974 beschloss der Landtag mehrheitlich die Auflösung Meerbuschs. Es folgte ein politischer und juristischer Kleinkrieg, der in einer Abstimmung im Landtag im Mai 1976 gipfelte. Es war hauchdünn: Per Hammelsprung votierten 94 Abgeordnete für den Erhalt, 92 sprachen sich dagegen aus. Meerbusch war gerettet.

Und wie sieht es heute mit dem Selbstverständnis der Meerbuscher aus? Auf die Frage "Was ist Meerbusch für Sie?" im Bürger-Barometer antworteten von den über 500 Teilnehmern an der Umfrage der WZ mehr als 60 Prozent: "Eine eigenständige Stadt!"

Wenn fast 40 Prozent der Stadt jedoch eine eigene Identität absprechen, dann beweist das auch, dass der Graben zwischen den Menschen auch fast vier Jahrzehnte nach der Gründung noch tief ist und eben doch viele sich im Schoß der Metropole geborgener fühlen würden.

Oft müssen die Meerbuscher aber auch erst einmal warm werden mit ihrer Stadt. "Meerbusch muss als Stadt noch ein wenig zusammenwachsen, ich glaube, das kommt aber mit der Zeit. Meerbusch ist meine Heimat geworden, ich kann mir ein Wegziehen nicht mehr vorstellen", schreibt ein 45-jähriger Bürger, während eine 30-Jährige meint: "Eine Stadt ohne richtiges Wir-Gefühl. Es gibt keine Stadtmitte und jeder Stadtteil kocht sein eigenes Süppchen."

Genau diese Kritik, die schon vor 35 Jahren von den Meerbusch-Gegnern im Landtag als wichtigstes Argument für eine Zerschlagung genutzt wurde, wird im Bürger-Barometer selbst von den "selbstbewussten" Meerbuschern immer wieder geäußert. "Es mangelt an Profil. Wahrscheinlich, weil ein echter Stadtkern fehlt", heißt es da zum Beispiel oder: "Eine zusammengewürfelte Stadt mit Dorfcharakter in den einzelnen Ortsteilen".

Ebenfalls auffällig: Viele sehen sich in einer "Stadt im Grünen", deren größtes Manko aber die Nähe zum Flughafen darstellt. "Meerbusch ist eine Stadt mit einer überdurchschnittlichen Sozialstruktur, mit viel Grün, aber auch mit viel Fluglärm", schreibt ein Bürger, während ein anderer es auf einen einfachen Nenner bringt: "Hier kann man gut wohnen. Aber es ist einfach zu laut."

Doch unter dem Strich überwiegt das Positive. Der eine spricht von einer "liebenswerten Kleinstadt", ein anderer empfindet Meerbusch als "Oase abseits der Großstadt", während ein Dritter wiederum nur an einem etwas auszusetzen hat: "Meerbusch ist eine lebenswerte Stadt mit grüner Lunge, sportlichen Menschen - und einem arroganten Nachbarn."

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