Weihnachtscircus: Manege frei für Großfamilie Frank

Die WZ blickt hinter den Vorhang im Weihnachtscircus, der in Gladbach gastiert.

Mönchengladbach. Nur noch zehn Minuten bis zur Vorstellung. Das Hauptzelt ist gut gefüllt. Carlito, der Clown, schaut noch einmal in den Spiegel, doch nervös ist er kaum. Es ist sein Alltag. Carlito ist ein echtes Circuskind. Er ist zwischen Manege und Wohnwagen aufgewachsen — wie fast alle Artisten, die derzeit im Weihnachtscircus an der Lürriper Straße auftreten.

Direktor Georg Frank hat 53 Enkel und 68 Urenkel. Sie sind Jongleure, Clowns, Trapezkünstler oder Seiltänzer. Viele arbeiten in anderen Circussen, 30 Mitglieder der Großfamilie stehen dieser Tage in Mönchengladbach in der Manege. Sie haben eine „kleine Stadt“, bestehend aus zehn großen Wohnwagen, rund um das Zelt aufgebaut.

Damit der Circus am Leben bleiben kann, muss jeden Tag ein Spagat zwischen Haushalt, Schulaufgaben und Circusvorbereitungen gemacht werden. Doch Dehnübungen und Spiele mit den Tieren müssen jeden Tag drei bis vier Stunden eingeübt werden, ohne dabei den Haushalt zu vergessen. „Alle müssen alles können und lernen, ohne Wochenenden zu leben“, sagt Henry Frank, Sohn des Zirkusdirektors, Kamelflüsterer und Ansager in der Manege. Die Wochentage erhalten neue Namen — wie „Schwungseil“, „Todesrad“ oder „Handstand auf Pferden“. Die jungen Künstler schminken sich selbst und übernehmen auch den Verkauf von Süßigkeiten.

Die Räder rollen europaweit; selbst Menschen in Sizilien konnten schon Teile des Programms Circus Paul Busch bestaunen. „Hier findet man einen Hauch von Nostalgie und Romantik im Zeitalter der Astronauten“, so Henry Frank.

Nur in NRW gibt es eine Schule für Circuskinder

Jeden Abend kommen die 30 Künstler an einen Tisch und teilen ihre Ideen und Probleme. „Nur in NRW“, so Carlito Frank, „gibt es eine Schule für Kinder einer Circusfamilie“. Eltern sind somit nicht nur Künstler, sondern auch Lehrer, wenn keine passende Schule in der Nähe zu finden ist, in deren Unterricht sich die Kinder immer wieder aufs Neue einpassen müssen. Der Circus sei das einzige Kulturgut, das keine Unterstützung vom Staat erhält, sagt Henry Frank — und ergänzt: „Wir leben von der Kunst, die wir geerbt haben.“

Trotz aller Bürokratie und eines manchmal nur spärlich gefüllten Zeltes kann sich kaum einer etwas anderes vorstellen, als jeden Tag in der Manege zu stehen. „Ich mach’ das schon seit 20 Jahren“, sagt Marcello Frank, der, 20 Jahre alt ist und zusammen mit seinen Brüdern, als Jockeyreiter auftritt.

Wenn sich am 5. Januar zum letzten Mal in Mönchengladbach der Vorhang schließt, zieht die Karawane weiter — samt der vier Kamele und 16 Pferde. Nach einer kurzen Winterpause wird das Zelt in anderen Städten aufgeschlagen, mit anderen Nachbarn, mit neuen Zuschauern. Das Ziel der Franks ist dann jedoch wieder das Gleiche: „Wir möchten unsere Zuschauer begeistern. Wir freuen uns über den Applaus und das Lächeln auf den Gesichtern unserer Besucher“, sagt Henry Frank.

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