Trauer und „Mörder-Rufe“

Rund 1.000 Menschen nehmen auf dem Hauptfriedhof und in Neuwerk Abschied — dann eskaliert die Situation.

Mönchengladbach. Aus über 500 Kehlen erklingt „Glory Halleluja“ — nicht als jubelnde Hymne, sondern als Trauer-Choral. Längst nicht alle, die zur Beerdigung von David M. (21) angereist sind, finden Platz in der Friedhofskapelle. Thema des Gottesdienstes ist Davids Konfirmationsspruch, Psalm 46: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den Nöten, die uns getroffen haben.“

Für viele klingt das, was er sich als 14-Jähriger gewählt hatte, heute fast prophetisch. Als sich um 12 Uhr der Trauerzug zum Grab in Bewegung setzt, ist es nicht still, sondern voll der Klagerufe und Lieder der Frauen in den weiten kongolesischen Gewändern. Auch am Grab selbst lassen die Menschen ihrem Schmerz freien Lauf.

Minutenlang steht und kniet u.a. die Familie, in Tränen aufgelöst, vor dem offenen Grab mit Davids Sarg. Immer wieder ertönt Wehklagen. „Wir wollen jetzt hier weggehen und zum Marsch aufbrechen“, sagt ein Freund Ms. „Der Marsch soll die Liebe Gottes zeigen, die Liebe, die wir für David empfinden.“

Mit diesen Worten im Ohr brechen die Menschen um 13 Uhr auf — doch im Bereich Aachener Straße eskaliert die Situation. „Da flogen Steine und Flaschen“, sagen Augenzeugen wie Mendy Stamms und Gisela Kretschmer. Die Polizei alarmiert ihre Hundertschaft. „Mörder, Mörder“ schreien farbige Demonstranten, einige sind offenbar nicht nüchtern. Und „Polizisten schützen Mörder“.

Dann wird die Aachener Straße lange gesperrt, die Beamten greifen durch. Dabei wird auch Pfefferspray eingesetzt. Mindestens vier der Demo-Teilnehmer werden festgenommen, sie müssen sich wegen Landfriedensbruchs verantworten. Mehrere Personen werden verletzt, darunter vier Polizisten, sagt ein Sprecher.

Später können Familienmitglieder und Freunde von David da Abschied nehmen, wo der 21-Jährige vor knapp 14 Tagen lebensgefährlich verletzt wurde: Am Kiosk der Waldhausener Straße. Im Gerangel soll der Sohn (20) des Kioskbetreibers den im Kongo geborenen M. so geschlagen haben, dass er zu Boden stürzte und sich schwerste Kopfverletzungen zuzog. Wenige Tage später starb er.

Am Mittwochabend hatten 400 Menschen auf der Bezirkssportanlage Neuwerk um M. getrauert und Geld gesammelt für die Beerdigung. „Seine Mutter ist vor sechs Monaten an Krebs gestorben“, sagt Helmut Mäurer, Vorsitzender der Sportfreunde 06, wo David in der 3. Mannschaft kickte.

Schweigend ziehen die Teams für das Benefizspiel auf den Rasen. Zu ihnen ist Jörg Albertz gestoßen, ehemaliger Fußball-Profi. Sie tragen ein Banner mit Davids Bild. Mit dem sind auch ihre Shirts bedruckt, es zeigt den jungen Mann mit strahlendem Lächeln. Trainer Dirk Kehrbuch: „Wir sind hier, um David zu ehren“, sagt er hörbar bewegt, „ein kleiner Mann, der gehen musste.“

Mannschaftskaptiän Andreas Frank ergänzt: „David hat so viel Schlechtes erlebt und war doch so voller Lebensfreude. Der war nie aggressiv.“ „Dass der nur unglücklich gefallen ist, glaube ich nicht. Da muss jemand brutal nachgetreten haben“, sagt Mario. Und geht weg.

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