Rollenwechsel: Wenn aus Jens Tamino wird...

Der Gladbacher Jens Räthel schlüpft berufsmäßig ins Gauklergewand.

Mönchengladbach. Er schlüpft gern in das Kostüm des Narren. "In dem kann man sich ausleben", begründet Jens Räthel, der beruflich als Tamino, der Gaukler in mittelalterlichen Welten unterwegs ist, "ohne Gefahr zu laufen, dafür eins auf die Nase zu kriegen." Dabei lächelt der blonde 41-Jährige hintergründig.

Das könne sich nicht jeder erlauben, das Leben sei schließlich hart und ungerecht "geblieben." Sobald er im Narrenkostüm auftauche, mit den vielen Glöckchen am Gewand, wüssten die Menschen Bescheid und blieben friedlich. Auch wenn er sich einen Mann aus dem Publikum fischt und ihn mit Tricks dazu bringt, sich nach und nach auszuziehen. Der sagt zwar "Nein!", aber nachdem der Oberkörper nackt ist, darf er aufhören.

Tamino wirft ihm einen Umhang mit Kapuze um, stülpt ihm eine Ledermaske über Stirn und Nase und im Dunkel der Nacht, nur noch beleuchtet vom flackernden Licht der Fackeln, macht der Mann eine sehr gute Figur, auch ohne Sixpacks.

Tamino zieht ihn hinein in sein Spiel mit dem Feuer, den wirbelnden Fackeln, führt sie ihm scheinbar über die Unterarme, alle halten den Atem an, doch im letzten Moment sind es doch seine eigenen, denen die Flamme gefährlich nahe kommt.

"Das Jonglieren habe ich während meines Studiums im Jugendzentrum Stepp gelernt", sagt Räthel, der an der Hochschule Niederrhein sein Diplom als Sozialpädagoge gemacht hat. Da hat er auch seine Lebensgefährtin Petra Tesch kennengelernt, die ihn zum ersten Mittelalter-Markt mitgenommen hat und heute Seife siedet und auf solchen Märkten verkauft.

Heute tritt er nicht nur solo als Gaukler auf, sondern auch in verschiedenen Ensembles, die Musik machen, Tanzen, und "Kurzweyl" auf Betriebsfesten, Banketten und Märkten verbreiten. "Ich bin kein sonderlich guter Jongleur" sagt er, wenn er an hochvirtuose Kollegen denkt, die mit sieben Keulen gleichzeitig arbeiten. "Ich bin auch kein sonderlich guter Musiker." Vielmehr sieht er sich als Comedian, "der schon mal einen pfiffigen Spruch drauf hat, um die Menschen an sein Spiel zu fesseln, ohne sie auf einen Stuhl festzubinden.

Seit einigen Jahren organisiert er als künstlerischer Leiter solche Märkte, die historisch in der Zeit zwischen 900 und 1500 spielen. "Städte und Agenturen treten an mich heran", berichtet er, der auch für den Weihnachtsmarkt auf Schloss Wickrath im vergangenen Jahr verantwortlich war. "Ich kenne die Crème de la Crème der mittelalterlichen Handwerker", sagt er, "Rittergruppen, Heerlager und Händler."

18 bis 20 solcher Veranstaltungen sind es im Jahr, die größten auf Schloss Hülchrath und Altena, wo zirka 650Akteure auftreten. Das alles organisiert er von Zuhause aus, "vom blauen Haus in Venn", dass er seit seiner Studentenzeit bewohnt.

Räthel kann auf Werbung weitgehend verzichten. "Meine Homepage", stöhnt er, "die ist nicht aktuell." Aber das mache nichts. Schließlich sprechen sich seine Fähigkeiten herum, "ganz wie im Mittelalter." Wobei er darauf verweisen kann, dass seine Veranstaltungen sehr familienfreundlich seien und die Menschen durchschnittlich acht Stunden auf den Märkten bleiben.

Für seinen körperlichen und geistigen Ausgleich geht er zwei bis dreimal in der Woche zum Fechten. Trainiert mit Degen und Florett beim RTV Rheydt. Leider kann er nicht an Turnieren teilnehmen. Denn die sind am Wochenende, und die sind alle ausgebucht.

So wie an diesem Wochenende. Dann ist er in Monheim zu sehen, beim "Mittelalterlich Spiel, Spaß Spannung und Musik" im Marienburgpark.

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