Regionaldekan deutet die Zukunft

Ulrich Clancetts Fazit nach dem Bleigießen: „Mit der Stadt Mönchengladbach geht’s weiterhin steil bergauf.“

Die Umgebung war überhaupt nicht passend. Es stand auch kein Gläschen Wein für die wichtigste Person auf dem Tisch. Die Stühle sind alles andere als gemütlich. Nein, zum Bleigießen gehören die Dunkelheit, der Wein, der alle ein bisschen lockerer werden lässt, weiche Sofas oder Sessel. Aber schön war’s trotzdem.

Regionaldekan Ulrich Clancett, Pfarrer von St. Jakobus Jüchen, bekam folgende Utensilien aufgebaut: eine rote Kerze aus Dänemark, geborgt von einem heimischen Adventskranz („Eine durchgefärbte Kerze, ein gutes Stück“ — so Clancett); eine Salatschüssel mit kaltem Wasser und jede Menge Bleistückchen mit den dazugehörigen Löffeln.

Und um es Ulrich Clancett bei seinen Deutungen der erstarrten Bleifiguren nicht so leicht zu machen, wurden Themen auf Karteikarten geschrieben: Er musste einzelne Karten wie aus einem Kartenspiel ziehen und dann die Bleiformation entsprechend interpretieren.

Eine total verkopfte Frage. Und der erste Bleikloß, der ins kalte Wasser plumpst, zerspringt in mehrere kleine Pfeilspitzen. Und tatsächlich: Da taucht eine längliche Figur auf. „Das Ding könnte eine Maschinenpistole sein. Und die Pfeile stehen für verbale Pfeilspitzen, die Unheil verkünden“, findet Clancett. Dummheit und Arroganz, so der katholische Priester, seien die größten Gefahren für den Frieden. „Ich stimme da unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu, der die geistigen Brandstifter angeprangert hat, die mitverantwortlich sind, dass Asylbewerberheime brennen. Wir sollten uns bewusst machen, wo wir herkommen. Dann verlieren einige von uns auch ihre Überheblichkeit.“

Zwei neue Bleistückchen kochen im Löffel. Schwupps, sie landen in der Schüssel. Und bilden — „einen Tannenbaum“. Zwar ist Weihnachten vorbei, „aber der immergrüne Tannenbaum steht für das Leben, er ist eine Art Botschafter des Lebens.“ Clancett sieht ihn als „Erinnerungsmarke“, die den Menschen die Bedeutung des Lebens und die Hinwendung zu diesem Bewusstmachen soll.

Das Blei verwandelt sich wieder in etwas Längliches. Dieses Mal ist es etwas Schwungvolles mit einer Art Häkchen. Clancett ist sicher: „Das ist ein Fisch. Und zwar ein Delfin, der gerade eine Fontäne bläst.“ Der Delfin passt zu Mönchengladbach, findet er. „Er strahlt Lebensfreude, gute Laune, etwas Liebenswertes aus. Und genau das verkörpert Mönchengladbach zur Zeit.“ Clancett ist sich sicher: „Mit der Stadt geht’s weiterhin steil bergauf.“

Dieses Mal ist es nur ein Begriff. Das kalte Wasser verwandelt das heiße Blei in eine Höhle. „Eine Grotte. Mit Madonnenfigur“, findet Clancett. Und stutzt. Danach erkennt er in dem Gebilde der einstigen Grotte eine „Botschaft, die Menschen bewegt“.

Es erscheint ein Gebilde mit winzigen Erhebungen. Eine Stadt-Silhouette, findet Clancett. Und sieht eine Verbindung zum „himmlischen Jerusalem“ aus dem Neuen Testament: „Die christlichen Kirchen haben Antworten, die andere nicht haben. Das himmlische Jerusalem ist eine Zukunftsperspektive für uns. An der müssen wir arbeiten.“

Ulrich Clancett, bekennender Fan der wahren Borussia, gießt wieder eine längliche Figur mit einer Art Kopf am Ende. „Ein Komet, mit einem Schweif hinten“, stellt er fest und spricht von der „ungeheuren Begeisterung“, die ein Komet auslösen kann. Und wie der „alle mitreißt“. Dann zögert er. „Ein Komet kann aber auch verglühen“, sagt Clancett und findet die Kurve: „Den Halleyschen Kometen gibt es seit vielen hundert Jahren.“

Der Bleikloß entpuppt sich als Schiff, in dem jemand sitzt. Hohe Wellen schlagen an den Bug des Schiffes. „Aber sie können dem Schiffsführer nichts anhaben. Und er weiß das, er fühlt sich relativ sicher“, findet Clancett. Und sieht das Glück darin, „mit Zuversicht durch die stürmische See und damit gut durchs Leben“ zu kommen.

Das kalte Wasser gebiert ein Lebewesen. Festlegen will sich Clancett nicht, was es ist. „Aber es streckt einen Arm oder ein Bein aus. Wenn man pathetisch ist, könnte man das als die Willkommenskultur deuten.“ Aber Clancett sieht mehr in der Geste: „Sie steht für ein offenes Mönchengladbach. Und die Stadt wird noch offener, noch weltstädtischer mit zahlreichen kulturellen Ereignissen werden.“

Ein dicker Klops unten. Zwei parallel laufende, nahezu gleich lange Arme mit unterschiedlichen Strukturen, die scheinbar nach oben greifen. Und die am Ende einen „Strauß Rosen oder Blütenblätter“ halten. Clancetts Interpretation: „Wir haben da am Fuß einen gemeinsamen Ursprung. Die Arme haben eine gemeinsame Richtung. Sie gehen auf jeden Fall nicht auseinander, sind aber auch noch nicht eins.“

Der letzte Bleikloß spritzt ins Wasser. Und wieder entsteht etwas, das einem Schiff ähnelt. „Das ist ein Prunkboot mit einer sehr schwungvollen Form. Wer in diesem Boot sitzt, erfährt Geborgenheit. Die Form steht für Bewegung und macht deutlich, dass Stillstand gefährlich ist. Und selbst wenn sich das Boot in einem ruhigen Gewässer befindet, braucht es Energie, damit es vorankommt.“

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