Priester Erlemann: Die erste Stelle veränderte sein Leben

Ex-Propst Edmund Erlemann feiert bald seinen 75.Geburtstag. Seit 50 Jahren ist er Priester – ein anderer, als er es selbst damals erwartet hatte.

Mönchengladbach. In Mönchengladbach ist er bekannt wie ein bunter Hund. Und wenn er am 31. Januar seinen 75. Geburtstag und sein 50. Priesterjubiläum mit einem Gottesdienst in der Kirche in Geistenbeck feiert, wird selbstverständlich der Oberbürgermeister anschließend ein Grußwort sprechen.

Aber auch Professor Friedhelm Hengsbach wird eine Ansprache halten. Der Theologe ist der Sozialethiker der Deutschen Katholiken. Einer, der die Hartz-IV-Gesetze kritisch sieht und aus der Sicht der betroffenen Menschen argumentiert.

"Er ist ein alter Weggefährte", sagt Erlemann, der beim Jubiläum auf Geschenke verzichtet und stattdessen um Gaben für den Volksverein bittet - unter dem Stichwort "Eddi". Er gehörte zu den Gründern des Vereins, der sich heute mit unterschiedlichsten Projekten um Langzeitarbeitslose kümmert.

Diese "Karriere nach unten" wie er sie selbst bezeichnet, war nicht von Anfang an absehbar. Schließlich wurde er in Krefeld, in der Schönwasserstraße geboren, ein gutsituiertes, großbürgerliches Umfeld. Erlemann ging nach dem Abitur auf die Jesuitenschule und wurde schließlich am 12. März vor 50 Jahren in Aachen zum Priester geweiht.

Doch direkt seine erste Stelle führte ihn nach St. Fronleichnam im Aachener Arbeiterviertel Panneschop. "Da wohnten 10 000 Menschen auf einem Quadratkilometer", sagt Erlemann. Hatte er bis dahin noch eine konservative Kirchenkarriere im Sinn, wurde er dort bekehrt. "Da wurde mir die soziale Problematik vor den Latz geknallt. Das war eine andere Welt", sagt er rückblickend.

Während seines Studiums habe er viele Antworten gelernt - für die es in der Praxis keine Fragen gab. "Die Kirche hatte nicht realisiert, welche Probleme die Menschen haben." Deshalb sieht er die Verantwortung für die von der Kirche beklagte Säkularisierung aller Lebensbereiche durchaus auch bei der Kirche selbst. Die Folge: "So eine Verweltlichung wie heute gab es bislang nie in unserer Menschheitsgeschichte."

Heute würden die Kinder in einer gottlosen Welt groß. "Damit verlieren die Menschen ihre Wurzeln", sagt der ehemalige Gladbacher Propst. Er erachtet es als Aufgabe der Religionen, den Menschen eine Deutungsmöglichkeit für ihr Leben zu geben.

Insofern ist für ihn Ökumene ein wichtiges Anliegen. Die hat er bei seiner ersten Stelle in Mönchengladbach kennengelernt: St. Marien in Rheydt. "Da habe ich als erster katholischer Priester in der evangelischen Hauptkirche gepredigt." 1500 Menschen hörten, was ihm zu einer Stelle aus dem Buch Jesaja einfiel, in dem es um die Leiden der Trennung geht.

"Heute sind wir weiter. Da muss es um die Ökumene aller Glaubenden gehen", sagt er. "Ob nun Juden, Muslime, Hindus oder Buddhisten." Die er alle konsequenterweise nennt, wenn er in der Messe das Hochgebet spricht. "Alle, die ,den Chef’ suchen."

Weil er sozial engagiert war, vertrat er das Bistum Aachen bei der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik in den Jahren 1972 bis 1975. Dort übernahm er den Kommissionsvorsitz, der sich um die christliche Diakonie, Kirche und Arbeitnehmerschaft, sowie die Jugendarbeit bemühte. Damals setzte er für den Abschlussgottesdienst eine Laienpredigt durch. "Das mochten die Römer gar nicht." Oft brachte ihn sein Engagement in Konflikt mit der Kurie in Rom. Er scheut ihn aber nicht.

Als Erlemann die Ergebnisse der Synode auf Mönchengladbacher Belange herunterbrechen wollte, kam es 1983 zur Gründung des Volksvereins. Der Name nimmt Bezug auf den Volksverein, eine Massenbewegung in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts mit Ausgangspunkt Mönchengladbach. Der Verein hatte erheblichen Einfluss auf die Sozialgesetzgebung im Kaiserreich unter Otto von Bismarck. "Hier war die Wiege des sozialnahen Katholizismus" urteilt Erlemann.

Vergleicht jemand ihn mit Ernesto Cardenal, dem Befreiungs-Theologen Südamerikas, lächelt Erlemann auf die ihm eigene bescheidene und amüsierte Art - und widerspricht nicht. "Das Verdienst von Cardenal: Der hat armen Bauern und Landarbeitern die Bibel so vorgelesen, dass sie verstanden haben: Diese Geschichte spielt nicht in der Vergangenheit. Das ist unsere Geschichte." Sie hätten begriffen, dass es Gottes Wille sei, dass sie befreit würden. "Und dass er ihnen die Kraft dazu geben wird."

Erlemanns Fazit: "Eine Kirche, die nicht den Menschen dient, dient zu nichts."

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