Piratenpartei: Sylvia Grodde (Wahlkreis 50)

Sylvia Grodde kandidiert für die Piratenpartei (Wahlkreis 50).

Sie haben sich als Kandidat aufstellen lassen, obwohl Sie nach allen Regeln der Vernunft nicht in den Landtag einziehen können, weil Ihnen die Liste nicht helfen wird. Warum kandidieren Sie trotzdem?

Sylvia Grodde: Wir Piraten sind inzwischen überall vor Ort. Auch hier in Mönchengladbach. Und wollen auch auf dem Stimmzettel am 13. Mai jedem die Möglichkeit geben, uns mit zwei Stimmen zu wählen. Darum habe ich mich aufstellen lassen. Mir geht es nicht darum, einen guten Job im Landtag zu ergattern, sondern den Bürgern unser neues Politikverständnis zu zeigen. Und wenn wir gegen alle Vermutung doch so viele Stimmen bekommen, dass ich drin bin, dann werde ich genau das auch im Landtag machen: Allen ein neues Politikverständnis zeigen.

Die Piraten haben derzeit nach eigenen Angaben kein fixes Parteiprogramm. Können Sie sagen, für was sich Ihre Partei, wenn es nach Ihnen geht, im Landtag einsetzen will?

Grodde: Wenn wir ein fixes Parteiprogramm hätten, wäre ich in dieser Partei falsch! Wir haben selbstverständlich seit unserem ersten Bundespartei ein immer weiter wachsendes Grundsatzprogramm und Positionspapieren zu zwölf verschiedenen Themen. Aber auch schon zur Landtagswahl 2010 haben wir NRW-Piraten ein sehr umfangreiches Wahlprogramm beschlossen. Da die bisherige Regierung davon leider sehr wenig umgesetzt hat, ist es auch noch nicht veraltet. So sah es auch der Landesparteitag am 14. April in Dortmund, ergänzte und erneuerte es aber um etliche Punkte. Vergangene Woche habe ich die knapp 30.000 Wörter des umfangreichen neuen Wahlprogramms auf 1500 Wörter für den Text unseres Wahlprogrammflyers eingedampft. Und es war kaum möglich, alle Inhalte einfließen zu lassen. Dafür, dass wir keins haben, steht hier viel drin. Wir vertreten Positionen zu Bildung, Inneres und Justiz, Verbraucherschutz, Arbeit und Soziales, Gesundheit, Drogen, Wirtschaft und Finanzen, Bürgerbeteiligung, Bürgerdatennetze, Medien, Open Access & Open Data, Kultur, Bauen und Verkehr, Umwelt, Energie, Tierschutz. Wir werden viel zu tun haben.

Was müsste Ihre Partei im Landtag für Mönchengladbach tun?

Grodde: Wichtig nicht nur für Mönchengladbach sondern für alle Kommunen ist es, dass die Städte unseres Landes wieder finanziell frei atmen können. Denn die Städte sind die Identifikationspunkte unserer Bürger. Hier wird gelebt, geliebt, gefeiert, getrauert, gearbeitet, hier spielt sich das Leben ab. Darum müssen die Städte diese sich daraus ergebenen Aufgaben auch wieder erfüllen können. Die Kommunen dürfen nicht weiter immer mehr Pflichtaufgaben „von oben“ aufgedrückt bekommen, ohne mehr Geld zu haben.

Was erwarten Sie von der neuen Landesregierung?

Grodde: Viel. Genauso viel, wie alle Bürger erwarten dürfen. Es muss mehr zugehört werden. Direkte Demokratie muss die Bürger einbeziehen, denn sie haben eine Meinung, die es direkt zu berücksichtigen gilt. So sollten zum Beispiel Bürger vor großen Investitionsprojekten durch Bürgerentscheide einbezogen werden. Grundsätzlich soll das Informationsrecht des Bürgers hin zu einer Informationspflicht der Regierung/Verwaltung entwickelt werden.

Ist es aus Ihrer Sicht richtig, keine Koalition eingehen zu wollen?

Grodde: Ja, denn wir wollen eine Politik 2.0 verbreiten, die von Themenarbeit und nicht von Parteipolitik bestimmt wird. Wir erleben doch täglich, dass gute Ideen der Opposition von den Regierungskoalitionen abgelehnt werden. Versuchen Sie das mal dem normalen Bürger zu erklären. Wenn die Piraten im Landtag sitzen, werden sie gute Ideen unterstützen und schlechte ablehnen. Egal, von wem sie kommen. Welche Regierungspartei möchte schon so einen Koalitionspartner.

Nennen Sie jeweils drei Stichpunkte/Ziele, für die Ihre Partei in den folgenden Ressorts steht.

Grodde: Finanzen und Verwaltung: Entlastung der Kommunalfinanzverwaltung von Aufgaben, die nicht in ihrem Entscheidungsbereich liegen; transparente Strukturen in der öffentlichen Verwaltung; Verbot risikoreicher Finanzmodelle (ehem. CBL sowie neuerer Konzepte) für Kommunen

Inneres/Kommunales: Einbeziehung aller betroffenen Einwohner vor großen Investitionsprojekten durch Bürgerentscheide u. ä.; Verhinderung Verdachtsunabhängiger Online-Überwachung sowie die Erfassung und Speicherung biometrischer Daten ohne Anfangsverdacht und ohne erwiesene Straftat; Polizeibeamte im Dienst mit einer individuellen nachvollziehbaren Kennzeichnung identifizierbar machen sowie die Einführung eines Polizeibeauftragten des Landtages in Analogie zum Wehrbeauftragten des Bundestages

Wirtschaft: Ablehnung direkter Subventionen ohne Verpflichtungscharakter in Form einer Gegenleistung an Unternehmen und Wirtschaftende; Abschaffung des Hausbankprinzips zum Zwecke der verbesserten Zugänglichkeit zu Fördergeldern der NRW- sowie der KfW-Bank; Zur Wahrung der Netzneutralität gehört die Energie-Infrastruktur in staatliche Hand

Bildung: Einführung einer fließenden Schullaufbahn mit flexiblen Kurssystem in kleinen Lerngruppen ab Sekundarstufe I; „IT-Initiative Bildungsinnovation“ mit Notebooks für alle Schüler ab Klasse 5 und sämtlichem Unterrichtsmaterial in freier Lizenz; freie Bürgeruniversität in Kooperation mit bestehenden Universitäten für nachschulische Ausbildungsgänge und Zertifikatskurse, berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung, freie Weiterbildung

Sport und Kultur: Anerkennung sowie Förderung klassischer wie digitaler Spiele und Sport; Vernetzung und Förderung von Kultur abseits des Mainstreams wie neue Kunstformen, Subkultur; langfristige Sicherung öffentlicher Bibliotheken sowie Digitalisierung des Buchbestandes

Familie und Soziales: nachhaltiger Ausbau von Mehrgenerationenhäusern und finanzielle Entlastung der Bauherren, wenn zum Beispiel ein Elternteil pflegebedürftig wird; Einrichtung vom Land unabhängiger Schiedsstellen, die verbindliche Schiedssprüche erwirken können, um Sozialgerichtsverfahren zu vermeiden; Veröffentlichung von Informationen über Qualität von Leistungen und Einrichtungen im Gesundheitswesen ohne Personenbezug

Gesundheit: Einführung der elektronischen Gesundheitskarte aus Datenschutzgründen stoppen; Offenlegung medizinischer und pharmazeutischer Studien; Fortbildungspflicht in der Pflege und klare Regeln für die Pflegequalität und Pflegesicherheit

Umwelt: Dezentralisierung der Strom- und Wärmeerzeugung; Verbot risikoreicher oder überholter Technologien, wie Atomkraftwerke; CO2-Lagerung in Gewässer und Untergrund (CCS), Fracking u.ä.; Reform des Bergrechts

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