Neue Sozialcharta soll die Augen öffnen

Verbände und Organisationen formulieren Grundforderungen der sozialen Absicherung.

Mönchengladbach. Frau B. ist 40 Jahre alt und Mutter von drei Kindern. Sie ist in zweiter Ehe verheiratet und mit ihrer Familie von Sozialhilfe abhängig, da ihr Mann in einem Niedriglohnsektor arbeitet.

Ein Unding, finden Norbert Koch vom Volksverein, Jürgen Bahr vom Arbeitslosenzentrum und Aloys Bushoven von der Caritas. "Wenn jemand Vollzeit arbeitet, muss er davon auch den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten können", sagen die drei, die die Sozialcharta der Armutskonferenz Mönchengladbach vorstellten.

Hehre Ziele sind da aufgeführt: Materielle Grundversorgung für alle, gleiche Bildungschancen für alle, Arbeitslosigkeit soll nicht zur Existenzbedrohung führen und ausreichende gesundheitliche Versorgung für jedermann. Selbstverständlichkeiten, die längst nicht mehr selbstverständlich sind.

In Gladbach gibt es etwa 17.000 Bedarfsgemeinschaften, das heißt Haushalte, die ohne öffentliche Unterstützung nicht existenzfähig sind. "Auffallend ist, dass immer mehr Menschen arbeiten gehen und trotzdem finanzielle Hilfe brauchen. Das darf nicht sein", sagt Bahr.

Besonders betroffen von Armut sind Kinder und Jugendliche. Laut Bahr gibt es in der Stadt etwa 38.000 Arme, Rentner nicht mitgezählt. Jedes vierte Kind lebt in einem Hartz IV-Haushalt.

Kinder aus armen Familien werden von Gleichaltrigen ausgegrenzt, entwickeln oft ein schlechteres Selbstbewusstsein oder andere Auffälligkeiten, worunter wiederum Bildung und Berufschancen leiden. So tragen sie ein höheres Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu geraten, einer der Hauptgründe der Armut. Es ist ein Teufelskreis, der immer weiter um sich greift.

Dass die Ziele der Charta wie Sozialromantik erscheinen und gerade in einer armen Stadt wie Mönchengladbach kaum zu realisieren sind, weiß auch Armutskonferenz-Sprecher Bushoven: "Wir können nicht die ganze Charta umsetzen. Dennoch sollten wir den Idealzustand nicht aus den Augen verlieren."

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